(ots) - Die Ankündigung von Russlands Präsident
Wladimir Putin, seine Streitkräfte von der ukrainischen Grenze
abziehen zu wollen, kam überraschend. Ob damit aber ein Schritt zur
Deeskalation getan ist, steht in den Sternen. Putins Ankündigung
kommt wenige Tage vor einem internationalen Treffen in Mailand. Am
Donnerstag und Freitag wird dort der Asean-Gipfel abgehalten, zu dem
auch Russland und hochrangige Vertreter der EU und der USA erwartet
werden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte kurz vor
Putins Ankündigung, er hoffe, den russischen Präsidenten in Mailand
zu treffen, um über die Beilegung des Konfliktes zu beraten. Er sei
optimistisch, dass es zu einer Einigung kommen kann. Es bleiben
Zweifel - und die sind berechtigt. Zum einen glauben die Wenigsten,
dass Putin die Situation ernsthaft befrieden will. Zum anderen fragen
viele voller Angst, welchen Preis die Ukraine für den Frieden zahlen
wird. Nach der Annexion der Krim stehen weitere Landverluste im Osten
der Ukraine zu befürchten. Selbst der frühere ukrainische Präsident
Leonid Kutschma, der auf Anordnung Poroschenkos die
Friedensverhandlungen für die ukrainische Seite mit der OSZE in Minsk
führt, zeigt sich skeptisch. Putins wahrer Grund, die Truppen zu
diesem Zeitpunkt von der Grenze abziehen zu wollen, habe mit dem
Druck auf Russland zu tun, den der Westen durch die Sanktionen
ausübe. Putins Versprechen bedeute absolut gar nichts, meinte
Alt-Präsident Kutschma. In Wahrheit wolle Putin seine westlichen und
ukrainischen Partner besänftigen, um eine weitere internationale und
wirtschaftliche Isolation Russlands zu verhindern. Auch der Westen
scheint Putins Versprechungen nicht recht zu trauen. Ausgerechnet der
Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, mahnte zur
Vorsicht. Putin müsse seiner jüngsten Ankündigung, tausende Soldaten
abzuziehen, nun auch Taten folgen lassen. In der Vergangenheit habe
der russische Präsident mehrfach Ankündigungen gemacht, die sich
allesamt nicht erfüllt hätten. Das undurchsichtige Spiel der Russen
geht indes weiter. Außenminister Sergej Lawrow legte nach. Er
kündigte für Donnerstag eine "Ukraine-Erklärung" an, die Präsident
Putin in Mailand veröffentlichen wird. Putin wolle "mit den
vernünftigen Menschen in der Führung der EU-Länder eine Strategie zur
Lösung des Ukraine-Konfliktes entwickeln". Im gleichen Atemzug warf
Lawrow dem Westen vor, verantwortlich für die Reaktionen der Russen
zu sein. Die EU sei es gewesen, die die Ukraine vor die Alternative
EU-Assoziierungsabkommen oder Partnerschaft mit Russland gestellt
habe. Nun sei es an der Zeit, dass der Westen die Beziehungen zu
Russland neu ordne und sich entscheide, ob er Russland als
strategischen Partner oder geopolitischen Konkurrenten betrachten
wolle. Die Ukraine nimmt in diesem Spiel bestenfalls die Rolle eines
kleinen Bruders ein. Ãœber das Land und seine rund 43 Millionen
Einwohner entscheiden in erster Linie Politiker aus Europa, den USA
und Russland. Präsident Poroschenko ist nicht zu beneiden. Er wird am
Ende derjenige sein, der seinen Landsleuten die Vereinbarungen
mitteilen muss. Nach einem Krieg, der bisher bereits mehr als 3600
Tote gefordert hat, wird es schwer sein, den Ukrainern weitere
Landverluste oder andere unangenehme Zugeständnisse zu erklären. Doch
genau das wird die russische Seite ihm abverlangen. Wie stark der
Westen als Partner der Ukraine tatsächlich ist, wird sich zeigen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de