(ots) - Immer wenn es um ethische Fragen der Medizin geht, um
Organtransplantation, Patientenverfügung, Stammzellforschung oder
Sterbehilfe, ist der Gesetzgeber gut beraten, nicht nur besondere
Sorgfalt walten zu lassen, sondern auch aus gewohnten Ritualen
auszubrechen. Es bekommt der Qualität der parlamentarischen
Auseinandersetzung wie der Akzeptanz politischer Entscheidungen in
der Regel gut, wenn Abgeordnete erst einmal fraktionsübergreifend
gemeinsame Positionen erarbeiten und sich nicht von Anfang an hinter
der von ihrer jeweiligen Führung vorgegebenen Linie zu versammeln
haben. Das hässliche Wort vom "Fraktionszwang", das nicht zum Prinzip
des freien Mandats unserer Volksvertreter passt, verbietet sich zumal
in Debatten, die um moralische Bewertungen und existenzielle
Entscheidungen kreisen, um Menschenwürde und Gewissensnot. Man muss
nicht immer gleich von "Sternstunden des Parlaments" sprechen, wenn
sich das Hohe Haus die angemessene Zeit für einen ernsthaften und
offenen Diskurs abverlangt. Aber man darf den Bundestag durchaus
dafür loben, dass die Abgeordneten ohne parteipolitische Weisungen
einfach mal um die bestmögliche Lösung und die notwendige Mehrheit
ringen dürfen. Dass ein solches Verfahren nur bei ausgewählten
Streitthemen praktikabel ist, gehört zum Erfahrungsschatz des
Parlamentsbetriebs. Aber es könnte dem Ansehen der Politik insgesamt
nützen, wenn sich Fraktionen und Abgeordnete auch in ihrem Alltag
wenigstens am Geist jener großen Debatten orientieren, die dem Volk
hin und wieder vor Augen führen, wozu ihre Repräsentanten wohl auch
fähig sind.
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