(ots) - Seit Jahren kommt die Welt jenseits der Gitterstäbe
nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Skandalöse Zustände in
der Jugendhaft, gewalttätige Übergriffe von Justizwachebeamten auf
Häftlinge, die Vernachlässigung von Patienten auf der Krankenstation,
nun sexuelle Attacken auf psychologisches Personal - und laut Falter
sitzen die Verdächtigen diesmal in der Führungsebene. Österreichs
Strafvollzug ist abgesandelt. Dass die Unschuldsvermutung gilt, kann
gar nicht genug betont werden, denn die Vorwürfe sind massiv.
Auch dem Standard liegt ein Fall vor, in dem einem Häftling nach
einem Hinterwand-Herzinfarkt die übliche Rehabilitation verweigert
wurde. Drei Tage nach dem in einem Spital diagnostizierten Infarkt
während eines Freiganges musste er sich wieder in der Vollzugsanstalt
Stein zurückmelden, wo ihm bis heute vorgeworfen wird, "ein guter
Schauspieler" zu sein.
Natürlich - oder: Gott sei Dank - handelt es sich um Einzelfälle,
doch in der Zusammenschau entsteht das Bild einer vergitterten Welt,
von der die da draußen möglichst wenig wissen sollen - vielleicht
sogar wissen wollen. Aber immerhin zeugt es von Engagement in
Justizanstalten, wenn Missstände Medien zugespielt werden und somit
ans Licht der Öffentlichkeit gelangen.
Fest steht, dass sich mit der Lösung von strukturellen Problemen
in den 27 heimischen Vollzugsanstalten keine Wahlen gewinnen lassen.
Häftlinge sind eine Lobby-lose Randgruppe der Gesellschaft, und die
Justizwache bietet mit rund 3100 Mitarbeitern kein großes Reservoir
für bundespolitische Erfolge. Auch ressortzuständige Justizminister
sehen in der Häfenmisere wohl eher einen Klotz am Bein. Denn
wirkliche Verbesserungen sind sämtlichen Ministern seit dem Jahr
2000, als die Zahl von Inhaftierten merklich anstieg, nicht gelungen.
Im Gegenteil: So platzt der sogenannte Maßnahmenvollzug, in den
geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden, aus allen Nähten.
Was auch an Richtern und Gutachtern liegt, die Einweisungen heute
viel öfter als früher empfehlen beziehungsweise verhängen. Der
Personalstand in Vollzugsanstalten hat aber mit dem Anstieg der
Häftlingszahlen nicht Schritt gehalten. An Wochenenden können in
manchen größeren Anstalten nicht einmal mehr zehn Justizwachebeamte
die Runde machen. Häftlinge werden an Samstagen bereits um die
Mittagszeit in die Zellen gesperrt, wo sie bis Montag die Wände
anstarren müssen. Resozialisierung, also das oberste Ziel nach einer
Verurteilung zu einer unbedingten Gefängnisstrafe, ist unter
derartigen Umständen kaum mehr möglich.
Rechtsanwalt und Strafverteidiger Wolfgang Brandstetter ist im
Vorjahr als Justizminister eingestiegen, als gerade die eklatante
Vernachlässigung eines Häftlings in Stein aufgeflogen war. Er hat
umgehend Reformen für den kaputtgesparten Strafvollzug angekündigt
und beispielsweise auch die gezielte Aufnahme von
Justizwache-Aspiranten mit Migrationshintergrund versprochen, um das
häufig vorhandene Sprachenproblem hinter Gittern zu lösen.
Umgesetzt wurden die Vorschläge des Justizministers bisher nicht.
Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass das innerhalb weniger
Monate auch ein Wunder wäre. Aber Brandstetter muss aufpassen, dass
er kein weiterer Ankündigungsminister wird.
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