(ots) - Klar, als Gastgeber geht man mit gutem Beispiel
voran. Die Bundesregierung hat auf der gestrigen Flüchtlingskonferenz
in Berlin den Nachbarländern Syriens rund eine halbe Milliarde Euro
an Hilfen für die Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland zugesagt - in
den nächsten drei Jahren. Andere Teilnehmerländer war da weniger
konkret und zieren sich noch. Doch offenbar ging es in Berlin weniger
um das Festzurren von konkreten Summen für die Millionen notleidenden
Menschen im Nahen Osten als vielmehr darum, das internationale
Bewusstsein für diese "Jahrhundertkatastrophe" zu entwickeln, wie es
der emsige deutsche Entwicklungshilfeminister Gerd Müller nennt. Eine
halbe Milliarde Euro aus Berlin - das kann relativ viel oder wenig
sein, je nach Betrachtungswinkel. Doch es geht im Moment nicht um
Zahlenspiele, sondern um rasche, konkrete Hilfe. Tausende Flüchtlinge
haben kaum mehr, als sie auf dem Leibe tragen - und wissen nicht, wie
sie über den Winter kommen sollen. Die Staaten rund um Syrien, etwa
der Libanon, die Türkei, Jordanien oder auch Ägypten, tragen nach wie
vor die Hauptlast der humanitären Hilfen. Das wird häufig vergessen.
Jetzt heißt es: Schnell geholfen ist doppelt geholfen. Es wäre
furchtbar, wenn Flüchtlinge, die dem Martyrium des Bürgerkrieges und
des Terrors des "Islamischen Staates" entrinnen konnten, nun in der
Freiheit sterben müssten. Nur weil ihnen nicht rechtzeitig und mit
den richtigen Mitteln geholfen werden kann. Dem Völkermord in Ruanda
oder dem Massaker im bosnischen Srebrenica schaute die
Weltgemeinschaft in den neunziger Jahren noch weitgehend tatenlos zu.
Im Fall der syrischen und irakischen Flüchtlinge gilt die Ausrede des
Nicht-gesehen-Haben-wollens nicht. Doch was geht das ganze Problem
Deutschland an? Haben wir nicht selbst genug Sorgen? Bereits heute
sind die Kommunen mit der Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen
weitgehend überfordert. Doch, es geht uns sehr viel an. Dichterfürst
Johann Wolfgang von Goethe schrieb in seinem "Faust" einst: "Was
schert es mich, wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker
aufeinander schlagen." Mit Schulterzucken können wir dem
himmelschreienden Problem heute keinesfalls begegnen. Und zwar nicht
nur, weil Hilfe ein Gebot der christlichen Nächstenliebe, der
Menschlichkeit überhaupt ist, sondern auch aus ureigenem nationalen
Interesse. Der Bürgerkrieg und der Terrorfeldzug des Islamischen
Staates ist längst nach Europa, nach Deutschland übergeschwappt.
Würde Deutschland nicht vor Ort helfen, würden alle, die es können,
dennoch den Weg ins gelobte Europa finden. Wenn vielen Menschen in
den Flüchtlingslagern so etwas wie eine Bleibe zum Überleben geboten
werden kann, erhöht das die Chance, dass sie eines Tages in ihre
Heimat zurückkehren können. Auf der anderen Seite der Medaille: Den
Flüchtlingen, die zu uns kommen, müssen hier menschenwürdige
Unterkünfte sowie eine Perspektive geboten werden. Ärztliche
Versorgung, Sprachkurse und Schulunterricht gehören dazu. Die
Kommunen dürfen mit diesen Problemen nicht allein gelassen werden. So
ganz nebenbei wäre humanitäre Großzügigkeit gegenüber diesen
Menschen, die oft genug zutiefst traumatisiert sind, ein wichtiges
Argument gegen die islamistischen Terroristen. Gegen deren blinden
Hass und ihre blutige Barbarei setzen wir Mitmenschlichkeit,
Verständnis, Barmherzigkeit. Trotz aller Probleme und Widerstände. Es
geht bei diesem dramatischen Flüchtlingsproblem auch darum, wessen
Werte sich durchsetzen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de