(ots) - Der "Frankfurter Allgemeine
Zeitung"-Mitherausgeber Günther Nonnenmacher bezieht erstmals
öffentlich Stellung zu den Manipulationsvorwürfen eines ehemaligen
Redakteurs. Im "medium magazin" bezeichnet er die Behauptungen Udo
Ulfkottes in dessen Buch "Gekaufte Journalisten" als "lächerlich und
abstrus". Nonnenmacher erkennt bei Ulfkotte eine Art Sinneswandel
nach einer schweren Erkrankung. "Danach hatte ich den Eindruck einer
Art Persönlichkeitswechsel, er erzählte immer mehr absurde
Geschichten und es gab eine Reihe von seltsamen Vorkommnissen und
Behauptungen", sagt Nonnenmacher im Interview mit "medium
magazin"-Chefredakteurin Annette Milz. Ulfkotte sei deshalb mehrfach
ermahnt worden, aber: "Wir haben Ulfkottes seltsame Entwicklung auf
seine existenzielle Erkrankung zurückgeführt - und
deshalb auch Rücksicht genommen. Menschliche
Rücksichtnahme war immer ein Prinzip dieses Hauses."
Ulfkottes Buch war im September im umstrittenen Kopp-Verlag
erschienen und hatte vor allem in sozialen Online-Netzwerken eine
Diskussion über Käuflichkeit von Journalisten befeuert. Der Autor
schreibt, er sei während seiner Tätigkeit für die FAZ von 1996 bis
2003 korrumpierbar gewesen. Er wirft dies auch seinen Kollegen vor,
macht eine gefährliche Nähe zu Elite-Netzwerken aus und behauptet,
staatliche Stellen wie der Bundesnachrichtendienst würden die
Berichterstattung diktieren.
Nonnenmacher widerspricht den Vorwürfen: "Die Forderung, nirgends
Mitglied zu sein, keinerlei Einladungen anzunehmen, weil das
unzulässige Nähe schaffe, klingt nach reiner Lehre. Aber Nähe zu
Akteuren ist doch gerade ein wesentliches Element von Journalismus,
um an Informationen zu kommen. Und ebenso wesentlich ist es,
gleichzeitig kritische Distanz und Unabhängigkeit zu wahren." Der
FAZ-Herausgeber glaubt, dass dieser Spagat in seiner Redaktion
gelinge und meint: "Wissen Sie, was das Schlimmste ist? Naive
Journalisten, die sich von Informanten instrumentalisieren lassen!
Udo Ulfkotte, der sich selbst als naiv beschreibt, nimmt offenbar an,
alle anderen seien genauso naiv."
Die wachsende Journalismuskritik kann laut Nonnenmacher ein
existenzielles Problem für die Branche werden: "Wenn diese
Entfremdung zwischen Öffentlichkeit und Journalisten voranschreiten
sollte, ist klar, dass wir zu den strukturellen Problemen der Branche
- Werbeeinnahmen, bröckelnde Auflagen - noch ein anderes
hinzubekommen würden." Hinter vielen Kritiken insbesondere an der
Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt vermutet er eine
konzertierte Aktion, "erkennbar an fast wortgleichen Mails, die die
Onlineforen überschwemmen. In solchen Kommentaren spiegelt sich keine
lebendige Demokratie." Gleichwohl müsse man mit den Lesern mehr
kommunizieren. Die FAZ habe deshalb ihre Social-Media-Aktivitäten
verstärkt und ihr online-Kommentarsystem verändert.
Nonnenmacher kann in seiner 20 Jahre währenden Herausgeberschaft
keine groben Fehler erkennen, wenngleich es Fälle gegeben habe, in
denen Redakteure sein Vertrauen enttäuscht und ihre Grenzen
überschritten hätten. Dies sei von der Berufsauffassung in der FAZ,
"wie sie hier im Grunde alle Kollegen teilen", nicht gedeckt. Unterm
Strich zieht er im "medium magazin" das Fazit: "Ich bereue nichts."
Das "medium magazin 11/2014" mit dem Titelthema "Ihr lügt doch
alle!" erscheint am 3. November und ist für alle Geräte im iKiosk
verfügbar: http://bit.ly/medium-ePaper. Gedruckte Einzelhefte und
Probeabos können über vertrieb(at)mediummagazin.de geordert werden.
Pressekontakt:
Annette Milz, Chefredakteurin "medium magazin", 069-95297944,
redaktion(at)mediummagazin.de