PresseKat - Tarifeinheitsgesetz: dbb lehnt Gesetzentwurf ab/Stellungnahme an Bundesministerium

Tarifeinheitsgesetz: dbb lehnt Gesetzentwurf ab/Stellungnahme an Bundesministerium

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(ots) - Der dbb lehnt jede gesetzliche Regelung von
Tarifeinheit grundsätzlich ab. Der Gesetzentwurf, den
Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) am 4. November 2014 vorgelegt
hat, sei verfassungsrechtlich bedenklich, gesellschaftspolitisch
nachteilig und handwerklich problematisch, heißt es in der
Stellungnahme des gewerkschaftlichen Dachverbands, die am 11.
November 2014 an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ging.
"Ausgehend von der schwerwiegenden und in keiner Weise zu
akzeptierenden impliziten Einschränkung von Grundrechten geht der dbb
davon aus, dass das Gesetzesvorhaben nachhaltigen Schaden in der
bundesdeutschen Gewerkschaftslandschaft anrichtet, der nicht ohne
Folgen für die Gesamtstärke der bundesdeutschen Gewerkschaftbewegung
bleiben wird und über eine Zerrüttung des Betriebsfriedens in
unzähligen Fällen auch für die Arbeitgeber von nachteiliger Wirkung
sein wird. Dass darüber hinaus das konkrete Gesetzesvorhaben auch
handwerklich gleich mehrere unlösbare Probleme aufwirft, macht
deutlich, dass das gesamte Projekt nicht geeignet ist, die
Tarifautonomie in Deutschland zu stärken. Das Gegenteil wäre der
Fall", so der dbb.

"Artikel 9 des Grundgesetzes ist eindeutig", betont der dbb in
seiner Bewertung des Gesetzentwurfs: "Die Freiheitsrechte werden über
jede Ordnungsfunktion gestellt. Er lässt eine Unterordnung des
Grundrechts auf Koalitionsfreiheit unter gesellschafts- oder
wirtschaftspolitische Zweckmäßigkeitserwägungen nicht zu. Genau das
jedoch versucht der vorliegende Referentenentwurf. Vorgebliche
'gesamtwirtschaftliche Belange' und eine behauptete
'Entsolidarisierung' sollen mit dem Tarifeinheitsgesetz
rechtfertigen, die Koalitionsfreiheit einzuschränken. In der
Konsequenz dieses Gesetzes würde in Zukunft zahlreichen
Gewerkschaften und hunderttausenden von Arbeitnehmern die Möglichkeit




genommen, sich frei und selbstbestimmt um die Wahrung und Förderung
ihrer Arbeitsbedingungen zu kümmern", heißt es in der Stellungnahme.
Der im Gesetzentwurf gemachte Versuch, diesen Verlust an
Koalitionsfreiheit über ein "Recht auf Nachzeichnung" und ein "Recht
auf Anhörung" zu kompensieren, reiche bei weitem nicht aus, um
plausible Interessenvertretung gegenüber den Mitgliedern zu beweisen
oder gar verfassungsrechtliche Bedenken zu zerstreuen. "Im Gegenteil:
Der Gesetzentwurf würde ein Zwei-Klassen-Gewerkschaftssystem
manifestieren, bei dem die Gestalter die erste Klasse bilden und die
Nachzeichner (ohne Streikrecht) die zweite Klasse." Das
Mehrheitsprinzip sei zudem kein grundgesetzkonformes Kriterium, da es
die Organisationsfreiheit der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise
einschränke, wenn diese sich berufsspezifisch oder weltanschaulich
orientiert organisieren wollten: Der Koalitionsfreiheit sei aus sich
heraus jedes Zählverfahren fremd.

Mit einem Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes drohen dem dbb
zufolge zudem gesellschaftspolitische Nachteile. So würden
freiwillige Absprachen zwischen konkurrierenden Gewerkschaften, für
die es aktuell insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes
viele positive Beispiele gibt, gefährdet, weil die nach dem im
Entwurf vorgesehenen Mitgliederzählungsprocedere größere Gewerkschaft
das Interesse an einer Kooperation verliert. "Auf diese Weise gingen
zahlreiche den Betriebsfrieden und den Flächentarif stärkende
Absprachen verloren", warnt der gewerkschaftliche Dachverband.
"Ersetzt würden sie in vielen Betrieben durch eine Verschärfung der
Konkurrenz zwischen verschiedenen Gewerkschaften auf Betriebsebene."
Auch für die Arbeitgeberseite ergäben sich nachteilige Folgen -
Beispiel öffentlicher Dienst: "Wenn Mitgliederzählungen zur Basis von
Tarifverhandlungen gemacht werden, stellt sich zunächst die Frage,
welche Einheit in diesem Fall für den Betrieb stehen soll. Ist es ein
einzelnes Bundesland? Oder soll zum Beispiel die einzelne Schule als
Betrieb angesehen werden? Das würde ganz konkret im Bundesland
Sachsen, das seine Lehrkräfte nicht verbeamtet, dazu führen, dass für
die eine Hälfte der Schulen mit dem dbb und für die andere Hälfte mit
der GEW verhandelt werden muss. Der bisher auf identische Resultate
bauende Arbeitgeberverband TdL wäre so gezwungen, tarifplurale
Lösungen zu zeichnen." Entgegen der Begründung für das in Rede
stehende Gesetz - die Angst vor einer weiteren Zerfledderung des
Flächentarifs und eine um sich greifende Zerstörung des
Betriebsfriedens - wäre demnach das Gegenteil der Fall, betont der
dbb.

Dreh- und Angelpunkt der Umsetzung des Tarifeinheitsgesetzes sei
ohnehin die Mitgliederzählung im Betrieb, wenn zwei Tarifverträge und
zwei Gewerkschaften in "Kollision" geraten, wird in der Stellungnahme
unterstrichen. "Die dazu im Referentenentwurf gemachten Vorschläge
sind unzureichend, weil nicht gerichtsfest und letztlich auch dazu
geeignet, den Betriebsfrieden nachhaltig zu stören, wenn der Kampf
ums einzelne Mitglied existentielle Bedeutung erlangt." Nicht kleiner
als die Zählproblematik erscheint dem dbb zudem die
Betriebsproblematik: "Nur auf den ersten Blick wäre der Rückgriff auf
den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff hilfreich. Schon
im Falle des öffentlichen Dienstes, der in vielen Sektoren echte
gewerkschaftliche Konkurrenz kennt, mit dem hier geltenden
Personalvertretungsrecht funktioniert der gewählte Ansatz nicht."



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dbb - beamtenbund und tarifunion
Britta Ibald
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Datum: 11.11.2014 - 10:16 Uhr
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