(ots) - Ende dieses Jahres stellt die Bundeswehr den
Kampfeinsatz in Afghanistan ein. Was vor über zwölf Jahren als
Antwort des Westens auf die Terroranschläge vom 11. September 2001
begann, endet bitter. Mehr als 3000 gefallene Soldaten hat die
internationale Allianz zu beklagen, mehrere zehntausend Veteranen
leiden an posttraumatischen Krankheiten, rund 500 Milliarden Dollar
wurden insgesamt ausgegeben. Und Afghanistan? Afghanistan bleibt ein
korruptes, bitterarmes, instabiles Land, in dem die Taliban dabei
sind, wieder die Oberhand zu gewinnen. Die mit schwarz-rot-goldenen
Schlüsseln an die afghanischen Sicherheitskräfte übergebenen
Stützpunkte der Bundeswehr etwa in Faisabad oder in Kundus verrotten.
"Mission gescheitert" nennt man das im Militär-Sprech. Selbst der
Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amtes musste in einer
Zwischenbilanz des Afghanistan-Engagements, die das Bundeskabinett
jetzt beschlossen hat, einräumen, dass bei allen Zielen des deutschen
Einsatzes "teils ganz erhebliche und schmerzhafte Lücken gegenüber
dem anzustrebenden Endzustand" verbleiben. Das ist für einen
Diplomaten geradezu drastisch formuliert. Im Klartext bedeutet dies:
Erreicht wurde mit dem Verteidigungseinsatz am Hindukusch so gut wie
nichts. In dem Land ein ziviles, rechtsstaatliches und demokratisches
Gemeinwesen aufbauen zu können, blieb eine reine Illusion.
Frauenrechte, Meinungs- oder Religionsfreiheit gibt es nicht. Das
einzige was blüht, ist der Drogenanbau, die Vetternwirtschaft und die
Gewalt. Politik und Bundeswehr haben den Menschen in der Heimat viel
zu lange Sand in die Augen gestreut. Noch heute heißt es in
offiziellen Verlautbarungen, die in letzter Zeit zunehmenden Verluste
der afghanischen Nationalarmee ANSF seien auf deren "verstärktes
Engagement gegen die Bedrohungen" zurückzuführen. Vor Ort wissen die
wenigen Bereitschaftspolizisten der ANCOP, die heute im Feldlager
Faisabad hausen, dass dies völliger Blödsinn ist. Die Soldaten der
Bundeswehr, die zum Großteil das Feldlager nie verließen, konnten mit
ihrer puren Anwesenheit zwar Gewalt unterdrücken. Aber eine
schlagkräftige Sicherheitstruppe haben sie nicht hinterlassen. Die
Aufständischen jagen die wenig motivierten afghanischen Polizisten
wie die Hasen. Und wenn diese ihre Checkpoints verlassen, klaut die
Bevölkerung in kürzester Zeit die Türen, die Möbel, das Holz. Kein
Wunder: Die Deutschen igelten sich ein, hatten keine durchgehende
Strategie, versuchten nicht, die Machtverhältnisse in ihrem
Zuständigkeitsbereich zu ändern. Schon in wenigen Wochen werden die
Reste des millionenschweren Engagements zu Staub zerfallen sein. Auch
das viele Geld, das nicht in den militärischen Einsatz, sondern in
die wirtschaftliche Aufbauhilfe für Afghanistan gepumpt wurde, ist
weitgehend nutzlos versickert. Die Bundesregierung, sonst voller
Optimismus und Eigenlob, räumt kleinlaut ein, dass es in all den
Jahren nicht gelungen sei "tragfähige Impulse für eine nachhaltige
Wirtschaftsentwicklung" zu geben. Bis heute ist Kabul von
Hilfszahlungen abhängig - und so wird es auch in Zukunft bleiben.
Jetzt mit 850 Soldaten der Mission "Entschlossene Unterstützung" zur
Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte im Land zu bleiben,
wird wenig nutzen. Dafür ist die Zeit nicht reif. Solange das ganze
Land nicht wirtschaftlich und politisch stabilisiert ist, werden auch
Sicherheitskräfte nicht in der Lage sein, Aufständischen oder
Terrormilizen wirksam Widerstand zu leisten. Alleine die Tatsache,
dass binnen drei Monaten 3000 bis 4000 Afghanen bei Anschlägen
getötet wurden zeigt, wie wenig wirklich erreicht worden ist.
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