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Sperrfrist: 01.12.2014 08:05
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Die Landesvertretungen beim Bund der Länder Sachsen,
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hamburg kooperieren im
laufenden Gesetzgebungsprozess eng mit ausgewählten
Interessenvertretern großer Konzerne. Sie laden regelmäßig Lobbyisten
vor Bundesrats-Sitzungen zu vertraulichen Runden mit den zuständigen
Ministern und Staatssekretären ein. Das Ziel der
institutionalisierten Runden, speziell für ausgewählte Lobbyisten:
die Weitergabe von Details und Beantwortung von speziellen Fragen zu
den anstehenden Gesetzes-Entscheidungen im Bundesrat. Dies berichtet
der SWR in seiner TV-Dokumentation "Leif trifft: Lobbyisten - Die
stille Macht im Land", die das SWR Fernsehen am 3. Dezember um 20.15
Uhr ausstrahlt. Vertrauliche Einladungen der Lobbyisten mit zum Teil
detaillierten Tagesordnungen sowie Protokolle solcher bislang nicht
bekannten Absprachen liegen dem SWR vor.
Erhard Weimann, der zuständige Staatssekretär in der
Landesvertretung Sachsen, sagte gegenüber dem SWR, dass es sich um
"sehr effiziente Runden" handele, "weil wir dafür da sind [...], auch
mit den Interessenvertretern zu hören, zu kooperieren,
zusammenzuarbeiten." In der sächsischen Landesvertretung wurden nach
Angaben der Veranstalter bei den Treffen der Widerstand der
Wirtschafts-Lobby gegen das Mindestlohn-Gesetz koordiniert und
Korrekturen auf den Weg gebracht: "Beim Mindestlohn gab es
Nachbesserungsbedarf an sieben bis acht Punkten - so kam er dann
auch", so der Staatssekretär.
Auch in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen trifft sich die
Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Angelica
Schwall-Düren regelmäßig und vertraulich mit Lobbyisten kurz vor den
Bundesratssitzungen. Mit dabei - unter anderem die Lobbyisten von
Lufthansa, BP, RWE, BAYER, EnBW, BASF, GDV (Versicherungswirtschaft).
Dies berichtet der SWR unter Berufung auf einen dem Sender
vorliegenden 5-seitigen "Ergebnisvermerk" vom 27.9.2012, in dem
Verhandlungsergebnisse protokolliert wurden. Ausdrücklich werden die
Lobbyisten zudem aufgefordert, spezielle Fragen zu allen Einzelheiten
der zur Abstimmung stehenden Gesetze an die Landesvertretung vorab zu
richten. Für die Landesvertretung NRW ein ganz normaler Vorgang, so
die Stellungnahme gegenüber dem SWR: "Der Meinungsaustausch zwischen
Politik und Wirtschaft gehört zum selbstverständlichen Umgang und ist
ausdrücklich Teil der gesellschaftspolitischen Verantwortung beider
Akteure. Nur wenn Gestalter und Entscheider aus Politik und
Wirtschaft um die jeweiligen Ziele wissen, sind politisches Handeln
und Interessenausgleich möglich."
In Baden-Württemberg laufen die regelmäßigen, internen
Lobby-Unterrichtungen unter dem Titel "Preview Bundesrat". Lobbyisten
führender Unternehmen werden meist morgens um 8.30 Uhr in die
Landesvertretung geladen und, so Teilnehmerberichte, detailliert über
die anstehenden Gesetze aus erster Hand vom zuständigen Minister
informiert. Zuletzt am 24.11.2014 - wie üblich wenige Tage vor der
Bundesratssitzung. Die Landesvertretung Hamburg lädt Lobbyisten u. a.
in der Bundesratswoche ebenfalls regelmäßig zu einem "politischen
Eintopf" ein. Da es sich um ein vertrauliches Treffen handele, wollte
der zuständige Staatsrat sich zu Einzelheiten der Besprechungen nicht
äußern.
Der Verwaltungsrechtsexperte Prof. Dr. Ulrich Battis von der
Berliner Humboldt-Universität kritisiert diese Kooperation: "Ich
halte das für eine undemokratische und rechtsstaatswidrige Praxis."
"Das Entscheidende ist, dass es hier unmittelbar vor solchen
Sitzungen [des Bundesrates, Anm. der Red.] stattfindet, also Teil des
parlamentarischen Verfahrens, und das wiederum nicht öffentlich,
nicht transparent, sondern eben außerhalb der Öffentlichkeit. Und das
ist schwer zu ertragen."
Bundestagsabgeordnete schulen Interessenvertreter in kommerziellen
Seminaren
Die SWR-Dokumentation zur Kooperation von Lobbyisten und
Politikern berichtet auch über kommerzielle Seminare unter dem Titel
"Lobbying für Fortgeschrittene". Mehrere Bundestagsabgeordnete,
darunter sogar aktive und frühere Vize-Präsidenten des Deutschen
Bundestages, traten in diesen Schulungen als Gastredner auf, um ihr
Praxiswissen zu vermitteln. Ziel des Seminares ist es, den
Teilnehmern "Tipps und Tricks" in der "Hohen Schule der politischen
Intervention" zu vermitteln, so die Eigenwerbung des Veranstalters.
Dass Bundestagsabgeordnete Lobbyisten schulen, hält der Präsident
des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, gegenüber dem
SWR für "mindestens unnötig und im Zweifelsfall auch problematisch".
Und fährt fort: "Da würde ich mich mit jedem konkreten Fall, wenn er
mir vorgetragen würde, gegebenenfalls auseinandersetzen."
Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis bewertete solche
Lobbyisten-Trainings von Bundestagsabgeordneten gegenüber dem SWR:
"Das überrascht mich sehr, das muss ich nun wirklich sagen. Hier
wechselt jemand direkt die Front, er bleibt Abgeordneter oder
Abgeordnete und gleichzeitig bildet er Lobbyisten aus, um ihnen klar
zu machen, wie sie am besten ihre spezifischen Tätigkeiten gegenüber
dem Parlament ausüben können." Und weiter: "Diesen Rollenwechsel
vorzunehmen, halte ich für außerordentlich bedenklich, und ich meine
auch, dass das Bundestagspräsidium einer solchen Praxis nachgehen
sollte."
Lobbyist Dr. Hubert Koch: Ein Drittel der Lobbyisten erhält
Gesetzesentwürfe im Frühstadium
Nach Einschätzung des erfahrenen Lobbyisten und führenden
Anbieters für Fach-Seminare zur professionellen Interessenvertretung,
Dr. Hubert Koch, erhalten Lobbyisten Gesetzesentwürfe aus Berliner
Ministerien häufig im Frühstadium, lange bevor Bundestagsabgeordnete
informiert werden. "Ein Drittel maximal schafft das" [Anm. der Red.:
die frühzeitige Beschaffung der Gesetzesentwürfe], sagte Dr. Koch
gegenüber dem SWR. Diese Praxis widerspricht den strengen
Bestimmungen der "Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien"
und den dafür gültigen Regeln der Bundesregierung. Dr. Koch weiter zu
dieser Praxis: "Wenn man ein gewisses Gespür hat, wenn man Vertrauen
hat, wenn man die Netzwerke hat, dann geht relativ viel." Dr. Koch
berichtet weiter aus der Praxis von Lobbyisten:
"Einflussmöglichkeiten sind natürlich dann groß, bevor ein
Gesetzesentwurf fertig geschrieben ist, manchmal gibt es auch noch
Grauzonen davor. [...] Die Praxis zeigt, dass es in Berlin so ist."
Aktuelles juristisches Gutachten: Personalaustausch-Programm der
Bundesregierung für Lobbyisten ist "verfassungswidrig"
In einer aktuellen, dem SWR vorliegenden 73-seitigen Studie mit
dem Titel "Der vorübergehende Seitenwechsel aus der Privatwirtschaft
in den Staatsdienst" untersucht Prof. Dr. Bernd Hartmann das seit 10
Jahren praktizierte "Personalaustausch-Programm" der Bundesregierung.
Dieses - auch vom Bundesrechnungshof kritisierte Programm -
ermöglicht Lobbyisten den befristeten Seitenwechsel (vorgesehen
sechs Monate, in der Praxis oft länger als zwei Jahre) in
Ministerien. Gegenüber dem SWR sagte Hartmann: "Ich halte das
Programm, wie es derzeit stattfindet, für verfassungswidrig. Es
verstößt gegen das Grundgesetz. Das Grundgesetz normiert einen Staat,
der im Interesse der Allgemeinheit tätig wird. Wenn jetzt von
Arbeitgebern entsandte private Arbeitnehmer im Ministerium wie Beamte
tätig werden, entsteht der Interessenskonflikt, dass die im Interesse
ihres Arbeitgebers, im privaten Interesse tätig werden und nicht im
Interesse der Allgemeinheit." Weiter sagte er: "Es verstößt gegen das
Rechtsstaatsprinzip, weil das Rechtsstaatsprinzip eine neutrale
Verwaltung will. Der Staat muss dem allgemeinen Interesse dienen und
nicht den privaten Interessen der entsendenden Arbeitgeber."
Der Berliner Verfassungsrechtler Prof. Dr. Battis kritisierte das
sogenannte "Seitenwechsler-Programm" ebenfalls scharf: "Das Problem
ist natürlich, dass es hier zu Durchstechereien kommt, dass hier
unzulässiger Lobbyismus gemacht wird. Kurz, dass man sogar das
Ministerium kapert." Das für das Personalaustausch-Programm
zuständige Bundesinnenministerium (BMI), das dieses Programm
gemeinsam mit der Deutschen Bank entwickelt hatte, war trotz
wiederholter Anfragen nicht zu einer Stellungnahme bereit.
Weitere exklusive Informationen auf swr.de/leiftrifft.
Akkreditierte Journalisten können den Film vorab im Vorführraum
des SWR-Presseportals anschauen: SWR.de/unternehmen/presse. Fotos auf
ard-foto.de.
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"Leif trifft", Tel.: 0 61 31 / 929-33297.