(PresseBox) - Auf der Basis der bekannt gewordenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Verantwortlichkeit von Suchmaschinen für die Links in der Trefferliste werden jetzt auch die ersten deutschen Urteile zu diesem Thema gesprochen.
Die Kriterien hatte der EuGH bekanntlich vorgegeben: In der Regel überwiegt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen bei der Abwägung das Interesse der Öffentlichkeit an der schnellen Auffindbarkeit von nicht mehr dem öffentlichen Informationsinteresse unmittelbar zuzuordnenden, also insbesondere zeitlich länger zurückliegenden, Informationen. Der Suchmaschinenbetreiber verarbeitet selbst personenbezogene Daten durch Zusammenstellung der Trefferliste, die zu einer Person angezeigt wird. Daher ist der Betreiber der Suchmaschine auch selbst verantwortlich, bestimmte Treffer aus seinem Index zu entfernen.
Das Landgericht Heidelberg hat diese Rechtsprechung auch auf rechtsverletzende Links in der Trefferliste angewendet und Google als Beklagte in diesem Verfahren als Störer auf künftige Unterlassung und zusätzlich ? da Google auf den außergerichtlichen Antrag des Klägers hin den Treffer nicht aus dem Index genommen hatte ? auch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht verurteilt.
In dem Urteil des Landgerichts Heidelberg heißt es unter anderem:
Die Verantwortlichkeit der Beklagten ist im Streitfall im Ergebnis nicht anders zu beurteilen als im Fall der von der Suchmaschine der Beklagten bei Eingabe eines Suchbegriffs angezeigten ergänzenden Suchvorschläge (vgl. BGHZ 197, 213). Die Anzeige einer Ergebnisliste, mit der Informationen und Links in einer bestimmten Reihenfolge zur Verfügung gestellt werden, wird wie die Anzeige von ergänzenden Suchvorschlägen von der Suchmaschine der Beklagten gesteuert. Die Suchmaschine wurde von der Beklagten entwickelt und dahin programmiert, bei Eingabe von Suchbegriffen Suchergebnisse nach bestimmten Kriterien zu sortieren und in einer bestimmten Reihenfolge anzuzeigen. Für die Ergebnisliste und die angezeigte Reihenfolge ist die Beklagte daher aufgrund der ihr zuzurechnenden Programmierung verantwortlich. Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung (vgl. hierzu: Palandt/Sprau, a.a.O., Einleitung vor § 1 Rn 43) der gesetzlichen Bestimmungen über die Störerhaftung gebietet es, dass die Beklagte grundsätzlich als verantwortliche Störerin für die von ihrer Suchmaschine angezeigten Suchergebnisse mit persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten in Anspruch genommen werden kann. Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sieht vor, dass betroffene Personen von dem für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlichen grundsätzlich die Berichtigung, Löschung oder Sperrung von Daten, deren Verarbeitung nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie entspricht, verlangen kann. Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 13.05.2014 (Az.: C-131/12) festgestellt hat, stellt die Erhebung und Bereitstellung von personenbezogenen Daten in Form einer von einer Suchmaschine erstellten Ergebnisliste eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der genannten Richtlinie dar und ist der Betreiber einer Suchmaschine als Verantwortlicher im Sinne von Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie anzusehen. Betroffene Personen können daher im - hier gegebenen - Anwendungsbereich der Richtlinie von dem Suchmaschinenbetreiber nach Maßgabe von Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG zur Wahrung ihrer Rechte verlangen, dass der Suchmaschinenbetreiber von der Ergebnisliste Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu ihrer Person entfernt.
(Landgericht Heidelberg, Urteil vom 09.12.2014, Aktenzeichen 2 O 162/13)
(Quelle und Volltext unter http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150013)
Unsere Meinung
Das Urteil führt die vom BGH und dem EuGH vorgegebenen Leitlinien zur Haftung von Google & Co. konsequent weiter.
Der Betreiber einer Internet-Suchmaschine ist als Störer verpflichtet, einen von der Suchmaschine angezeigten Link zu einer von einem Dritten veröffentlichten Internetseite zu entfernen, wenn er von dem Betroffenen auf den persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalt der Internetseite hingewiesen wurde. Entfernt der Betreiber den Link nach Kenntniserlangung und Ablauf einer angemessenen Prüffrist nicht, kann er dem Betroffenen zusätzlich zur Unterlassung auch zum Schadensersatz verpflichtet sein. Auf die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG, die für reine Contentprovider gilt, kann sich der Suchmaschinenbetreiber nicht berufen, weil er mit Sortierung und Anzeige der Suchergebnisse in einer bestimmten Reihenfolge eigene Informationen zur Nutzung bereit hält.
Damit kann jeder, der sich in seinen Rechten durch bestimmte Internetseiten verletzt fühlt neben dem Betreiber der Seite selbst, der oftmals ? so wie auch in dem hier geschilderten Fall ? nicht greifbar ist, sich auch an die Suchmaschinenbetreiber wenden und so zumindest den Zugang zu solchen rechtswidrigen Informationen erschweren.
Interessant wird aber bei der ganzen Geschichte der Blick auf die Wahrung des Interesses der Öffentlichkeit am Zugang zu bestimmten Informationen, auch an einem kontroversen Diskurs. Die ersten Berichte über die Entfernung von Treffern zu Artikeln von Zeitungen und Zeitschriften sind insoweit alarmierend.
Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht
Schutt, Waetke Rechtsanwälte & Fachanwälte - IT-Recht, Veranstaltungsrecht, Urheberrecht
Wir sind hoch spezialisiert auf die Bereiche Veranstaltung & Event, IT & Internet und Urheber & Medien.
Wir vertreten bundesweit Mandanten aus allen Branchen, insbesondere aber aus der Event-, IT- und Medienbranche.
Timo Schutt - Fachanwalt für IT-Recht, Dozent
Thomas Waetke - Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Dozent & Buchautor
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