(ots) - Die nun abgewählte griechische Regierung hat
ihre Sparziele nur erreicht, indem sie das Einkommen vieler Griechen
unters Existenzminimum drückte und gleichzeitig öffentliche
Leistungen wie Erziehung und Gesundheitsfürsorge auf das Niveau eines
Entwicklungslandes zurückschraubte. Die Privilegien der Reichen
hingegen blieben weitgehend unangetastet. Die neue Regierung muss die
Lasten gerechter verteilen - nicht auf andere Euroländer sondern
innerhalb der eigenen Bevölkerung. Strukturreformen weiter zu
verschleppen und auf noch mehr Solidarität in der EU zu hoffen, ist
aus mehreren Gründen der falsche Weg. Zum einen ist die Geduld vieler
Europäer nach mehreren Hilfspaketen und ständig neuen Zugeständnissen
an Griechenland erschöpft. Die wenigsten drücken sich so drastisch
aus wie AfD-Chef Bernd Lucke, der das Wahlergebnis als Plebiszit für
Griechenlands Austritt aus der Eurozone interpretiert. Aber viele
Finanzminister betonten gestern in Brüssel, auch ihre Bevölkerung
habe in der Krise Opfer bringen müssen. Griechenlands Probleme seien
hausgemacht und müssten zuhause gelöst werden. Weiterer Aufschub
verbessere die Lage nicht. IWF-Chefin Christine Lagarde sprach für
viele, als sie sagte, die mit den Hilfszahlungen verknüpften Reformen
seien keine den Geldgebern geschuldeten Sparauflagen, sondern
überfällige politische Neuausrichtungen im eigenen Interesse. Diese
klaren Worte gehen den Beteiligten so leicht von den Lippen, weil ein
möglicher Staatsbankrott Griechenlands oder der Austritt des Landes
aus der Eurozone inzwischen viel von seinem Schrecken verloren hat.
Zu Beginn der Griechenlandkrise hielten Banken aus anderen
Euroländern einen hohen Anteil der griechischen Anleihen. Das ist
inzwischen nicht mehr der Fall. An den Kapitalmärkten wird die
Sanierung Irlands und Spaniens als Erfolgsmodell interpretiert,
Griechenland zunehmend als Sonderfall gesehen. Zum Zweiten verspielt
die neue Regierung mit Rufen nach einem weiteren Schuldenschnitt das
Vertrauen, das sie so dringend braucht, um sich mittelfristig
finanziell wieder auf eigene Füße zu stellen. Fast neun Prozent
Zinsen zahlt Griechenland derzeit, wenn es seine Anleihen auf dem
Finanzmarkt platzieren will. Irland, das bis vor kurzem selbst auf
Hilfspakete angewiesen war und inzwischen die nötigen Reformen
durchgeführt hat, bekommt Kredite fast so günstig wie Deutschland,
nämlich für ein Prozent Zinsen. Das zeigt deutlicher als mahnende
Worte der IWF-Chefin, dass der neue Regierungschef Tsipras im
Interesse seiner Wähler handeln würde, wenn er solide
Haushaltspolitik und überzeugende Strukturreformen zum Leitthema
seiner Regierung machen würde. Die rasche Koalitionsbildung mit der
kleinen rechtspopulistischen Partei der "Unabhängigen Griechen"
spricht allerdings nicht dafür, dass Tsipras das Gebot der Stunde
erkannt hat. Die einzige programmatische Gemeinsamkeit zwischen den
beiden Parteien vom linken und rechten Rand des politischen Spektrums
besteht in ihrer einhelligen Forderung nach Schuldenerlass und
besseren Kreditbedingungen für die Zukunft. Das könnte dazu führen,
dass die neue Regierung ihre ganze Energie in einen Kampf steckt, der
von vornherein verloren ist. Griechenlands Millionäre und
Steuerflüchtlinge würden sich ins Fäustchen lachen, denn sie kämen
ein weiteres Mal ungeschoren davon.
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