(ots) - Die Bundesrepublik Deutschland kann die
Seenotrettung auf Nord- und Ostsee aus der Luft kaum noch
gewährleisten. Das legen vertrauliche Dokumente aus dem zuständigen
Bundesverkehrsministerium nahe, die dem NDR Politikmagazin "Panorama
3" vorliegen (Sendung: Dienstag, 27. Januar, 21.15 Uhr, NDR
Fernsehen).
Bei Unglücken mit größeren Schiffen verlässt sich das Ministerium
bislang auf die Such- und Rettungshubschrauber der Marine. Die
betreffenden Helikopter vom Typ "Sea King" sind jedoch bereits 40
Jahre alt. In dem vertraulichen Bericht wird explizit vor einem
"Ausfallrisiko" der Hubschrauber gewarnt. Der Bericht stellt "eine z.
T. kritische Verfügbarkeit der Helikopter bis hin zu einer
vollständigen Stilllegung der Sea-King-Flotte" fest.
Nach NDR Informationen waren zuletzt von den insgesamt 21 "Sea
King"-Hubschraubern regelmäßig nur noch vier oder weniger Maschinen
einsetzbar. Manchmal war sogar nicht ein einziger Hubschrauber
einsatzfähig. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Rettungskette,
die in Notfällen greift. Laut internem Bericht war zum Beispiel im
Jahr 2013 "überwiegend nur eine von zwei SAR-Außenstellen mit einem
einsatzklaren Helikopter besetzt".
Besonders betroffen war nach Informationen von "Panorama 3" die
Such- und Rettungs-Außenstelle Warnemünde an der Ostsee. Im
vergangenen Jahr stand dort weniger als einen Monat lang ein
einsatzfähiger Hubschrauber bereit. Auch für 2015 ist bis auf
weiteres keine Stationierung eines Hubschraubers in Warnemünde
vorgesehen. Rettungseinsätze in der Ostsee müsste die Marine
demzufolge von den Rettungsstellen an der Nordsee aus, von Nordholz
bei Cuxhaven oder Helgoland, fliegen. "Das würde von Nordholz bereits
bis in die Mecklenburger Bucht eine Stunde Flugzeit bedeuten, bei
einer Fluggeschwindigkeit von rund 90 Knoten", kritisiert Reinhard
Schlepphorst, Vorsitzender der Interessengemeinschaft des fliegenden
und luftfahrzeugtechnischen Personals der Bundeswehr. Für den Bereich
Ostsee sei demnach die Stunde Rettungszeit, die bis zur medizinischen
Versorgung von Verletzten eigentlich empfohlen werde, nicht mehr
einzuhalten.
Ein Marine-Sprecher räumt ein: "Wir müssen einen erheblichen
Aufwand betreiben, um die Einsatzfähigkeit sicherzustellen." Dennoch,
so der Sprecher, erfülle die Marine ihre Aufträge. Bislang habe es
keinen Fall gegeben, "wo wir nicht rechtzeitig da waren, wenn wir
gerufen wurden".
Für den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Deutschen
Bundestag, Hans-Peter Bartels, ist dies nur eine Frage der Zeit. Er
bezeichnet die derzeitige Lage als "desaströs". Bartels: "Wir können
von Glück sagen, dass wir kein großes Unglück hatten."
Das Verkehrsministerium wollte sich auf Anfrage bislang nicht
äußern.
Das Bundesverkehrsministerium soll eine flächendeckende
Rettungskette in Nord- und Ostsee sicherstellen. Zwar kann das
Havariekommando, das bei großen Seeunglücken zuständig ist, im
Ernstfall auch auf Hubschrauber der Bundespolizei und eingeschränkt
auf private Rettungshubschrauber zurückgreifen. Doch die
Bundespolizei ist nicht verpflichtet, im Notfall Hubschrauber bereit
zu stellen, eine solche Verpflichtung gibt es für nur einen
Privatanbieter. Die Marinehubschrauber sind deshalb für das
Havariekommando nach eigener Aussage unverzichtbar.
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