(ots) - Deutsche Steuerbehörden haben nach Recherchen von
NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) im Jahr 2010 von der
französischen Regierung eine unvollständige Liste von Bankkundendaten
der HSBC erhalten. Mögliche Fälle von Steuerhinterziehung in
Deutschland konnten deshalb bis heute nicht aufgeklärt werden.
Frankreich hatte den auch unter dem Namen "Falciani-Liste" bekannt
gewordenen Datensatz an mehrere Länder weitergegeben, darunter auch
Deutschland. Deutsche Steuerfahnder hatten den Recherchen zufolge
eine Liste mit 1136 deutschen HSBC-Kunden erhalten. In dem
Swiss-Leaks-Datensatz befinden sich dagegen Einträge von 2106 Kunden
mit Bezug nach Deutschland, also 970 mehr.
Warum den deutschen Behörden eine Liste mit geringerem Umfang zur
Verfügung gestellt worden ist, bleibt unklar. Das
Bundesfinanzministerium (BMF) sagte auf Anfrage, Steuervollzug sei
Ländersache und man habe daher "weder Kenntnisse über den Umfang und
die Qualität der Daten noch darüber, ob Ermittlungsverfahren gegen
die HSBC oder Mitarbeiter der HSBC z. B. wegen Verdachts der Beihilfe
zur Steuerhinterziehung eingeleitet wurden". Man gehe der Differenz
von 970 Namen derzeit nach.
Anders als beim Ankauf so genannter Steuer-CDs gab es keine
zentrale Auswertung der "Falciani-Liste" und auch keine Statistik
über die Ergebnisse. Vielmehr sind die Daten an Finanzämter in der
ganzen Bundesrepublik verteilt worden. Was dann damit passiert ist,
wurde auf Seiten der Bundesfinanzbehörden nicht nachverfolgt. Die
Recherchen von NDR, WDR und SZ zeigen, dass in mehreren Fällen
Ermittlungsverfahren mit Strafbefehlen abgeschlossen wurden.
Anders als zum Beispiel in Frankreich oder Belgien hat Deutschland
offenbar auch nicht gegen Mitarbeiter der HSBC Private Bank Genf
wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt.
Das könnte sich nun ändern. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte
dem NDR am Montag, 9. Februar: "Ich finde, dass mit aller Härte der
Abgabenordnung solche Verfahren untersucht und gegebenenfalls auch
bestraft werden müssen." Steuerstrafrechtler, die Einblick in die
Daten erhalten haben, gehen davon aus, dass der Swiss-Leaks-Datensatz
genügend Hinweise für einen Anfangsverdacht gegen die Bank wegen des
Tatbestands der Beihilfe zur Steuerhinterziehung liefert.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD, Lothar Binding, erklärte,
der kriminelle Hintergrund des Swiss-Leaks-Datensatzes erscheine ihm
so mächtig, "dass es sich lohnt, die CDs wirklich seriös auszuwerten
und einfach zu schauen, verbergen sich dahinter kriminelle Handlungen
- ja oder nein". Letztlich müsse sich der Bundesfinanzminister selbst
systematisch um den Fall kümmern. Die steuerpolitische Sprecherin der
Grünen im Bundestag, Lisa Paus, fordert die Bundesregierung auf, nun
dringend die fehlenden Daten zu beschaffen. Vor dem Hintergrund der
ausbleibenden Ermittlungen gegen Mitarbeiter der HSBC Bank Genf
erklärte Paus, es sei kaum vorstellbar, dass es "gerade in
Deutschland (...) keine Beihilfe zur Steuerhinterziehung von Seiten
der HSBC gegeben hat". Insofern sei nicht nachzuvollziehen, dass hier
nicht entsprechend ermittelt wurde.
Der Swiss-Leaks-Datensatz, den in den vergangenen Monaten Reporter
aus der ganzen Welt ausgewertet haben, umfasst Informationen über
mehr als 100.000 internationale Kunden der HSBC-Private Bank in Genf.
Darin geht es um Einlagen in Höhe von umgerechnet rund 75 Milliarden
Euro. Steuerfahnder gehen davon aus, dass zahlreiche Konten der HSBC
in Genf angelegt wurden, um Steuern zu hinterziehen und Geld zu
waschen.
Weitere Informationen im Internet unter www.ndr.de/swissleaks.
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