(ots) - Die neuesten Veröffentlichungen aus den Dokumenten
von Edward Snowden zeigen ganz deutlich: Es gibt keine Sicherheit für
das Mammutprojekt elektronische Gesundheitskarte (eGK). "Nach
11-jähriger erfolgloser Planung sollte es endlich eingestellt
werden", sagte die Sprecherin der Aktion "Stoppt die e-Card", Dr.
Silke Lüder, heute in Hamburg. Den Geheimdiensten der USA und
Großbritanniens sei es den Snowden-Dokumenten zufolge schon im Jahr
2010 gelungen, Sicherheitskonzepte eines Chipkartenherstellers zu
überwinden und bis jetzt unbemerkt an deren Sicherheitsschlüssel zu
gelangen. Dieses Unternehmen hat nicht nur SIM-Karten für Handys
hergestellt, sondern auch die elektronischen Gesundheitskarten für 25
Millionen AOK-Versicherte sowie Kartenlesegeräte für Arztpraxen.
"Wenn bis heute dieses Datenleck den Betreibern der Firma nicht
aufgefallen ist, bedeutet das, dass interne Kontrollen völlig versagt
haben müssen. Es gibt also keine Sicherheit mit den jetzt
ausgegebenen elektronischen Karten", sagte der Sicherheitsexperte
Rolf Lenkewitz heute in München. "Allein die potenziellen
Auswirkungen erfordern einen sofortigen Stopp der eGK und
telematischen Infrastruktur. Die von den Geheimdiensten erlangten
Informationen könnten die Bausteine sein, um jederzeit in der
Zukunft, dieses größte IT-Projekt Europas zu kompromittieren und die
sensibelsten und schützenswertesten Daten der Versicherten einzusehen
und zu missbrauchen."
Auch Professor Hartmut Pohl, Mitglied des Beirats der
International Security Academy und Sprecher des
Präsidiumsarbeitskreises "Datenschutz und IT-Sicherheit" der
Gesellschaft für Informatik e. V., warnte heute vor den Folgen: "Dies
ist nicht das erste Mal, dass ein Trust Center von
Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten wie der NSA geknackt
wurde und alle Sicherheitsschlüssel ausgelesen werden konnten. Die
erfolgreichen Angriffstechniken funktionieren auch für SIM-Karten und
Handy-Schlüssel, elektronische Personalausweise und Reisepässe,
Kredit- und Debitkarten, elektronische Türöffner, TAN-Generatoren,
die eGK ..." Laut Pohl dürften in Deutschland aktuell weit mehr als
50.000 der wichtigsten Server in Unternehmen, Regierung und
Verwaltung mit sogenannten Backdoors der NSA versehen sein (Strategic
Servers).
Ziel der Geheimdienstangriffe sollen auch andere Großhersteller
für elektronische Gesundheitskarten in Deutschland gewesen sein. "Der
Nachweis dieser unbemerkten Angriffe ist der Super-GAU für das
eGK-Projekt", teilten die Sprecher der Aktion "Stoppt die e-Card" in
einer Stellungnahme mit. "Das zeigt, dass es die von der
eGK-Betreibergesellschaft Gematik immer wieder behauptete
Datensicherheit nicht gibt." Mit den ausgegebenen Chipkarten könne
man keine der geplanten Anwendungen im eGK-Projekt realisieren: weder
sensible Sozial- oder Medizindaten online versenden, noch
Notfalldaten, Organspende-Ausweise und Medikationsdaten auf der eGK
speichern, noch die Karte als Schlüssel für die Erstellung einer
elektronischen Patientenakte verwenden."
"Wir fordern, dass das gescheiterte milliardenteure Projekt sofort
eingestellt und die geplanten weiteren Gelder in eine gute
medizinische Behandlung und in sichere dezentrale moderne
Kommunikationswege in der Medizin investiert werden", so die
Aktionssprecher. "Alle Planungen für das neue E-Health-Gesetz der
schwarz-roten Koalition müssen gestoppt werden, denn auf Basis derart
fraglicher Datensicherheit können solche Gesetzesvorhaben nicht
realisiert werden."
Ãœber die Aktion "Stoppt die e-Card"
"Stoppt die e-Card" ist ein breites Bündnis von 54
Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern, Patienten- und
Ärzteverbänden. Unter anderem gehören dazu: Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung, Digitalcourage, Chaos Computer Club, IPPNW,
Freie Ärzteschaft e. V., NAV-Virchowbund, Deutsche AIDS-Hilfe. Das
Bündnis lehnt die eGK ab und fordert, das milliardenschwere Projekt
einzustampfen. Sprecher der Aktion "Stoppt die e-Card" sind Dr. Silke
Lüder, Gabi Thiess, Dr. Manfred Lotze und Kai-Uwe Steffens.
Pressekontakt:
Dr. Silke Lüder 0175 1542744, Gabi Thiess 0177 6500718