(ots) - Je nach Lesart kommt das neue Kopftuch-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zur Unzeit, weil es Wasser auf die Mühlen
aller Islamophoben lenkt, oder gerade recht, weil es uns zur
Differenzierung im Umgang mit Muslimen zwingt. Das Kopftuch kann ein
Glaubensbekenntnis, es kann aber auch Ausdruck der Unterdrückung der
Frau sein. Mit dem ersten Punkt hatte sich das Verfassungsgericht
auseinanderzusetzen. Da Deutschland - im Gegensatz zu Frankreich -
kein säkularer Staat ist und das Grundgesetz Religionsfreiheit
garantiert, ist es völlig in Ordnung, dass das Kopftuch nicht
pauschal aus der Schule verbannt werden darf. Wir wollen islamischen
Religionsunterricht geben lassen, um nicht alle Kinder in die
arabischen Koranschulen zu verweisen, und das Kopftuch nicht
zulassen? Die bisherigen Regelungen etwa in Bayern,
Nordrhein-Westfalen und auch Hessen verbauen vielen Islamstudentinnen
den Weg in den Schuldienst. Wann das Kopftuch nicht mehr nur
Glaubensbekenntnis, sondern Zeichen für die Unfreiheit der Frauen
ist, lässt sich allerdings nicht so leicht ergründen - schon gar
nicht auf juristischem Wege. Das mag man als unbefriedigend
empfinden. Gut daran ist, dass uns das Verbot des pauschalen
Kopftuchverbots dazu zwingt, uns mit unserem Gegenüber stärker
auseinanderzusetzen. Wer als Kopftuchträgerin im Schuldienst arbeitet
oder in Zukunft sogar bei der Polizei beschäftigt ist, muss sich
immer wieder fragen lassen, wie sie zur grundgesetzlich garantierten
Gleichberechtigung von Mann und Frau steht. Das ist die neue
Gretchenfrage, bei der wir keine Kompromisse zulassen dürfen. Das ist
die Frage, die wir ohne Kopftuchverbot erfolgreicher in muslimische
Gemeinschaften hineintragen als mit einem Verbot.
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