(ots) - Überall im Straßenbild in Teheran und natürlich
auch in den Medien ist Propaganda gegen den "großen Teufel" USA und
noch mehr gegen Israel zu sehen. Aber die Menschen in den Basaren und
auf den Straßen begrüßen jeden West-Besucher überschwänglich. Zu
Hause versuchen sie heimlich, wie sie zu leben. Das erinnert alles an
die Schlussphase des Ostblock-Sozialismus: Öffentliches und privates
Bewusstsein fallen erkennbar auseinander, es tobt ein teils offener,
überwiegend aber verdeckter Machtkampf zwischen der Elite, die sich
Ajatollahs nennt, und - mindestens in den großen Städten - einer
großen Mehrheit des Volkes, die diese Elite loswerden möchte.
Gleichzeitig ist der Iran eines der am weitesten entwickelten Länder
in der gesamten Region. Wenn dieses Land, statt unter der Knute der
scharfen Wirtschaftssanktionen zu stehen, Investitionen anziehen
dürfte, es würde ökonomisch aufblühen, ja regelrecht explodieren. Und
das brächte dann auch die politischen Verhältnisse zum Tanzen. Dafür
gibt es freilich drei Voraussetzungen: Der Iran müsste Israels
Existenz akzeptieren, er müsste einen Modus Vivendi mit den USA
finden, und er müsste als erstes sein Atomprogramm so kontrollieren
lassen, dass die heimliche Herstellung von Nuklearwaffen
ausgeschlossen ist. Derzeit ist man so nah an einem Abkommen darüber
wie noch nie. Doch werden die Verhandlungen überlagert von der Wahl
in Israel, dem nicht ausgestandenen Machtkampf in Teheran - dort geht
es wohl bald um die Nachfolge von Ajatollah Chamenei - und dem
Tauziehen zwischen Präsident Obama und den Republikanern im
amerikanischen Kongress. Die Hardliner in Jerusalem, Teheran und
Washington haben, so unterschiedlich sie sind, alle eins gemeinsam:
Sie leben politisch von der Konfrontation. Diese Haltung ist sehr
kurzsichtig. Denn es gibt jetzt eine Chance, die vielleicht nie
wieder kommt: Nämlich diese schiitische islamische Republik
herauszureißen aus einer muslimischen Welt, die sich immer mehr
antiwestlich entwickelt. Schon kooperiert der Westen ja heimlich mit
dem Iran beim Kampf gegen IS. Es gibt die Chance, jene Kräfte in
Teheran zu stärken, die mehr Freiheit, mehr Wohlstand, mehr
internationale Kooperation wollen. Eine Gewissheit ist diese Folge
nicht, gewiss ist aber: Wenn erst die Atomverhandlungen gescheitert
sind, wenn aus der verbalen Konfrontation wieder die der forcierten
atomaren Rüstung wird, womöglich gepfeffert mit israelischen
Präventivschlägen, dann ist das Fenster für lange Zeit zu, durch das
mehr Freiheit in die iranische Gesellschaft und Politik ziehen
könnte. Wer hätte dann gewonnen?
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