Im unscheinbaren Altena wirkt ein wahrer Meister der Schauerliteratur: J. Mertens, dessen unheimliche Geschichten und provokative Lyrik sich durch moralische Kompromisslosigkeit auszeichnen. Im Interview mit Leserkanone.de sprach der Autor über seine Schaffen, seine Inspirationen und den deutschen Buchmarkt.
(firmenpresse) - Im unscheinbaren Altena wirkt ein wahrer Meister der Schauerliteratur: J. Mertens, dessen unheimliche Geschichten und provokative Lyrik sich durch moralische Kompromisslosigkeit auszeichnen. Derzeit sind fünf Werke aus seiner Feder erhältlich, unter anderem der Thriller »Mondo Criminale« und die Tabubrüche nicht scheuende Gedichtsammlung »Zerfall«. Im Interview mit Leserkanone.de sprach der Autor über seine Schaffen, seine Inspirationen und den deutschen Buchmarkt.
– Herr Mertens, im vergangenen Herbst veröffentlichten Sie mit »Mondo Criminale« Ihr aktuellstes Buch. Könnten Sie Ihren Roman dem Teil unserer Leser, die von ihm bisher noch nicht Notiz genommen haben, kurz mit eigenen Worten vorstellen?
Mit knappen Worten lässt sich das schlecht beschreiben, weil der Roman verschiedene Handlungsstänge hat, die zum Ende hin zusammenlaufen. Fokusperson der Story ist ein offenbar autistischer Jugendlicher namens Roland Riedberger, der nach seiner Flucht aus der Psychiatrie zu seiner Schwester gefunden hat und von deren herzlosem Lebensgefährten wie ein nutzloses Tier ausgesetzt und an einen Baum gebunden wird. Dort wird er bald von einem Bankräuberpärchen aufgelesen, das ihn als Geisel zu benutzen gedenkt. Dieser Umstand führt zu diversen Verwicklungen, weil ihm nicht nur sein - vermeintlicher - Psychiater auf den Fersen ist, sondern auch eine satanistische Vereinigung, die ihn als Erfüller einer biblischen Prophezeiung betrachtet. Der Faden des Romans führt fast ausschließlich an verabscheuungswürdigen Zeitgenossen entlang, darunter ein pädophiler Polizist, ein selbsternannter Gotteskrieger, eine hochkriminelle Gang und andere Schurken. Das Schicksal der Beteiligten ist auf dubiose Weise miteinander verwoben, und bald schon machen sie Bekanntschaft mit Rolands ungeheuren psychischen Fähigkeiten. Die Geschichte spielt übrigens in meiner ehemaligen Heimatstadt Lüdenscheid, wenngleich ich auch einige Örtlichkeiten leicht verändert habe.
– Den Lesern welcher anderer Autoren oder welcher anderen Romane würden Sie Ihr Buch ans Herz legen? Haben Sie literarische Vorbilder, oder haben Sie Ihren eigenen Stil auf andere Weise gefunden? Was sind Ihre eigenen Lieblingsbücher?
Nun, »Mondo Criminale« ist eine Genremischung. Es ist ein brutaler Thriller mit übersinnlichen Elementen, actionreich und teilweise recht mysteriös. Daher könnte er sich in die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen einfinden. Generell würde ich sagen, dass er für Liebhaber actionreicher Literatur durchaus geeignet sein dürfte. Aber durch die Behandlung schauriger seelischer Abgründe sollten auch Thriller- und Horrorfans auf ihre Kosten kommen. Mit meinen literarischen Vorbildern hat diese Geschichte allerdings weniger zu tun. Sie ist eher modern gehalten, während meine literarischen Ideale eigentlich eher bei Edgar Allen Poe und H. P. Lovecraft liegen. Diese haben mich aber eher zu diversen Kurzgeschichten inspiriert, wenn auch mein Buch »Genius Vacui« durchaus klassische Elemente enthält. Mein Stil selbst ist aber erst im Laufe der Zeit durch das Schreiben selbst entstanden, wobei ich mich aber zugunsten der jeweiligen Story auch nicht scheue, einen Stilwechsel anzuwenden. Bestimmte Lieblingsbücher habe ich eigentlich weniger. Es sind eher bestimmte Kurzgeschichten, die mich besonders gefesselt haben, darunter beispielsweise Klassiker wie Maupassants »Der Horla« oder »Die Weiden« von Algernon Blackwood.
– Sieht man sich die erfolgreichsten Autoren speziell bei Amazon an, so veröffentlichen diese fast ausschließlich Liebesromane oder Genremischungen mit stark romantischem Einschlag. Ihre Bücher hingegen sind brutal, kompromiss- und schonungslos. Zwangsläufig besetzen Sie damit eine Nische, in der es derzeit viel schwieriger ist, große Aufmerksamkeit zu finden. Da es nicht die Platzierungen in Verkaufscharts sind, was ist dann Ihr Antrieb beim Verfassen Ihrer Geschichten? Wie sind Sie ursprünglich zum Schreiben gekommen? Und denken Sie, dass sich der Wind einmal drehen wird und auch Bücher wie die Ihren in den Blickpunkt deutlich größeren Interesses rücken werden?
Der Antrieb liegt eindeutig in meinem Kopfkino. Schon als Kind faszinierten mich die Themen Angst und Tod, und ich fing sehr früh an, mich mit Psychologie, Religionen und Okkultismus zu befassen. Ein kurzer Impuls, ein flüchtiger Blick auf etwas Unwesentliches oder ein unsinniges Geräusch reichten schon aus, um innerhalb von Minuten eine Geschichte daraus zusammenzubrauen. Hinzu kommt, dass ich Erinnerungen an meine früheste Kindheit behalten habe. Diese leichte Form einer Hypersensibilität hängt auch mit meiner bis heute erhaltenen Synästhesie zusammen, und ich entwickle daher Analogien, die sich so schnell niemandem erschließen. Kurz gesagt: Der Kopf ist immer voll, und hätte ich nicht früh angefangen zu schreiben, wäre ich vielleicht Maler, Filmemacher oder Musiker geworden, um das alles hinauszubekommen. Dabei ist es mir eigentlich gleichgültig, ob es sich bei meinen Veröffentlichungen um ein Nischenprodukt handelt. Dazu muss aber auch gesagt werden, dass die modernen und sehr gefragten »Dark Romances« ja auch schon das Horrorgenre streifen, wenn auch sehr zaghaft und mit starker romantischer Prägung. Andererseits gibt es Verlage, z. B. Festa, Voodoo Press oder Luzifer, die sich ausschließlich dem Horror- und Phantastikgenre verschrieben haben. Daher ist meine Sparte von allen Nischen wahrscheinlich noch die treffendste.
– Neben Romanen wie »Mondo Criminale« und gesammelten Kurzgeschichten (»Psychotische Episoden«) ist auch Lyrik aus Ihrer Feder erhältlich (»Zerfall«). Was kann der Leser von Ihren Gedichten erwarten, und was hat Sie dazu bewogen, nicht nur Prosa, sondern auch »Grenzlyrik« zu verfassen?
Nun, mit Gedichten habe ich eigentlich angefangen. Als ich erstmals Edgar Allan Poes »Der Rabe« vorgetragen hörte, war ich derart fasziniert, dass ich es ihm gleichtun wollte. Das scheiterte natürlich kläglich. Dennoch entwickelte ich im Laufe der Zeit ein Gespür für die Mathematik, die derartigen Werken innewohnt. Die erste Version meiner Storysammlung »Psychotische Episoden« beinhaltete sogar noch einige Gedichte, die ich aber in der endgültigen Fassung entfernte und durch eine weitere Kurzgeschichte ersetzte. Schon damals plante ich den Band »Zerfall«, setzte mich dabei aber nicht unter Druck. Diese Gedichte und Prosaminiaturen reihen sich eigentlich gut in mein sonstiges Werk ein - sie sind provokativ, hart, aufrüttelnd und gehen zum Teil sehr an die seelische Substanz, ganz besonders »Schwarze, knopfäugige Strumpfpuppen« oder »Gebt mir meine Würmer zurück«. Da sind mir schon von einigen Lesern die seltsamsten psychischen Auswirkungen zu Ohren gekommen. Labile Zeitgenossen möchte ich daher vor diesen Texten warnen.
– In einem Blog-Interview erwähnten Sie, dass Sie sofort per Eigenverlag veröffentlichen würden, wenn Sie heute noch einmal ganz neu mit dem Schreiben von Büchern beginnen würden. Weshalb würden Sie diesen Weg beschreiten?
Das ist leicht zu beantworten: Weil es schneller geht und die Fäden in der eigenen Hand bleiben. Es ist allerdings ein Haufen Arbeit, da ich vom Text über die Formatierung bis hin zum Cover alles selbst mache. Dazu kommen Werbung, Vermarktung und die Kontaktpflege. Aber es ist ein schönes Gefühl, wenn man die ersten Feedbacks seiner Leser bekommt und sieht, dass die Mühe nicht vergebens war. Dennoch bin ich Verlagen gegenüber aufgeschlossen, solange meine Freiheit als Autor nicht angetastet wird.
– Was wünschen Sie sich vom deutschsprachigen Buchmarkt und von Ihrer Leserschaft im Speziellen? Haben Sie in den vergangenen Jahren als Autor spezielle Eindrücke gesammelt oder gibt es Vorschläge und/oder Kritikpunkte, die Sie mit Ihren Lesern teilen oder ihnen mitteilen möchten?
Der Buchmarkt ist eigentlich für mich in Ordnung. Durch die Möglichkeit, auf einfachem Wege seine Bücher selbst zu verlegen, hat sich die Sterilität und die Steifheit der »renommierten Verlagsimperien« drastisch gewandelt. Was meine Leser betrifft, so würde ich mir mehr Rezensionen und Feedbacks wünschen.
– Was können wir von dem Autor J. Mertens in Zukunft erwarten? Sind bereits neue Buchprojekte in Planung?
Eine ganze Menge! Ein Haufen Kurzgeschichten schreit nach seiner Niederschrift, und die Protagonisten einiger schauriger Romane klopfen schon an die Tür in meinem Schädel. Wie ich schon sagte, ist mein Kopf dauernd voll, und mein bisheriges Notizbuch ist mit Ideen derart überfrachtet, dass es für die nächsten zehn Jahre reichen sollte. Dennoch kommen aus genannten Gründen schneller neue Plots hinzu, sodass ich mit dem Schreiben kaum hinterherkomme. Ich bitte daher um etwas Geduld, insbesondere, was meinen eigentlich für Sommer 2015 angekündigten Folgeband mit Kurzgeschichten »Weitere Psychotische Episoden« angeht. Derzeit stehe ich an einem »strategischen Scheideweg« und bin mir noch nicht sicher, welche Abzweigung ich nehmen soll. Ich habe es mir daher vorübergehend auf einer Bank am Wegesrand gemütlich gemacht und blicke sinnierend auf die Weggabelung. Sagte ich »Weggabelung«? Ich fürchte, ich muss mein Notizbuch hervorholen ...
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