(ots) - Der neue griechische Premier Alexis Tsipras hat
Russlands Präsident Putin einen Antrittsbesuch abgestattet. In Berlin
und Brüssel hat diese Nachricht so viel Aufregung verursacht, dass
man meinen könnte, es handle sich um eine Weltverschwörung. Wer aber
fürchtete, das EU-Mitglied Griechenland werde von Moskau gekauft,
kann sich nun entspannt zurücklehnen. Statt des erwarteten
Milliardenkredits gab es nur ein Kulturabkommen und eine Erklärung
zum 70. Jahrestag des Sieges gegen Nazideutschland. Der griechische
Premier, dessen Land vor der Pleite steht, hätte sich sicher
Substanzielleres erhofft. Doch er machte das Beste aus dem dürftigen
Ergebnis des Treffens und erklärte, Griechenland sehe sich künftig in
der Rolle des Mittlers zwischen Ost und West. Sein Land könne zum
Energieknotenpunkt für russisches Gas werden, vorausgesetzt, Russland
finanziere die nötige Infrastruktur. Auch im Konflikt um die
Ostukraine möchte Tsipras eine Schlüsselrolle spielen. Welche Lösung
er sich vorstellt, blieb gestern unklar. Wichtig war ihm aber die
Feststellung, dass sein Land zwar die europäischen Spielregeln
respektiere, sich aber in seine souveräne Außenpolitik nicht
hineinreden lasse. Frankreich und Deutschland, die seit Monaten
versuchen, Russland mit diplomatischen Mitteln zur Räson zu bringen,
müssen die Konkurrenz aus Athen ganz sicher nicht fürchten. Tsipras,
Regierungschef eines kleinen Landes am äußersten östlichen Rand der
EU, wird von Putin nicht wegen seines außenpolitischen Gewichts oder
seiner guten Kontakte in andere Hauptstädte hofiert. Vielmehr
versucht der Kremlchef mit seiner Charmeoffensive einen Keil zwischen
die Europäer zu treiben und sie zu einer nachgiebigeren Haltung in
der Ukrainefrage zu bewegen. Solange er dabei finanziell nichts
anzubieten hat, wird sich die Zahl der Nachahmer in Grenzen halten.
Auch Zypern spielte schon mit dem Gedanken, sich künftig seine leere
Staatskasse von Moskau füllen zu lassen, statt die lästigen Auflagen
der europäischen Kreditgeber und des Weltwährungsfonds IWF zu
erfüllen. Doch als sich herausstellte, dass Moskau kein Geld zu
verschenken hat, war diese Trotzphase rasch zu Ende. Ungarns Premier
Victor Orban macht aus seinen Sympathien für Putin ebenfalls keinen
Hehl und versucht - ähnlich wie Tsipras - günstigere Gaspreise für
sein Land herauszuhandeln. Russland will zudem zwei Atomkraftwerke in
Ungarn bauen und das Brennmaterial dafür liefern, was von der
EU-Kommission als Bruch von EU-Gesetzen beanstandet wird. Das Muster
ist in allen drei Fällen das gleiche: Durch diplomatische Aufwertung
und Vergünstigungen versucht Wladimir Putin die kleinen Länder an der
östlichen Peripherie der EU von Brüssel zu entfremden und für seine
Ziele einzuspannen. Das ist zunächst für eine EU aus 28
Mitgliedsstaaten und 450 Millionen Einwohnern nicht mehr als ein
Nadelstich. Doch wenn die Gemeinschaft solche Alleingänge schweigend
hinnimmt, dann werden auch andere für sich das Recht auf eine
Außenpolitik beanspruchen, die sich nicht um Absprachen schert und
nur das eigene Interesse im Auge hat. Die europäische
Außenbeauftragte könnte dann ihren Job an den Nagel hängen, denn eine
gemeinsame europäische Außenpolitik gäbe es nicht mehr. Deshalb muss
die EU Alexis Tsipras eines ganz klar machen: Sein Land kann entweder
in der EU und im Euro bleiben und sich an die Spielregeln halten, die
dort gelten. Oder Griechenland orientiert sich neu, bewirbt sich
vielleicht um Mitgliedschaft in Putins Eurasischer Wirtschaftsunion.
Ein bisschen von Beidem aber gibt es nicht.
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