(ots) - Die zweite Chance, es ist ein Konzept, das
Amerikaner gern zum Kern ihrer Lebensphilosophie erklären. Wer
scheitert und wieder aufsteht, wer aus Fehlern lernt und zum Comeback
antritt, dem sind Sympathie und Respekt garantiert, denn niemand ist
hier für alle Zeiten zum Versager gestempelt. Nur, dass die
Duelle ums Weiße Haus mit ernüchternder Regelmäßigkeit beweisen, dass
das in der Politik nur mit Einschränkungen gilt. In Wahlkämpfen
schätzt das Land keine Loser. Ob Jimmy Carter oder Bill Clinton,
George W. Bush oder Barack Obama: Die meisten, die zuletzt ins Oval
Office gewählt wurden, haben es im ersten Anlauf geschafft. Die
Ausnahme bildete Ronald Reagan, der 1980 erst im zweiten Anlauf
gewann. Man sollte also vorsichtig sein mit allzu viel
Vorschusslorbeer für Hillary Clinton. Sie mag die Favoritin sein,
zumindest in den eigenen Reihen. Es ist aber nur eine Momentaufnahme.
Schon vor acht Jahren schien es so, als könnte ihr keiner das Wasser
reichen. Schon damals machte das Wort von der unvermeidlichen
Kandidatin die Runde. Schon damals sprachen manche von einer
Bewerberin, die praktisch gekrönt werden würde, statt sich im
Marathon der Primaries (Vorwahlen) durchbeißen zu müssen. Bekanntlich
kam es anders, und deshalb ist eine Prise Skepsis nicht unangebracht.
Was 2015 von 2007 unterscheidet: Bei den Demokraten ist im Augenblick
kein zweiter Barack Obama in Sicht, kein Senkrechtstarter, der der
Gesetzten erfolgreich den Fehdehandschuh hinwerfen könnte. Aber bis
in Iowa die erste Vorwahl stattfindet, gehen noch fast neun Monate
ins Land. Zeit genug für einen überraschenden Herausforderer. Gewiss,
man darf nicht unterschätzen, wie viele Wähler dem Durchbruch des
Jahres 2008 einen zweiten folgen lassen möchten. Damals der erste
Schwarze im Weißen Haus, demnächst die erste Präsidentin: Das
Historische wird eine Rolle spielen, es wird gerade Frauen
motivieren, für Hillary zu stimmen. Und es wird einige geben, die
nachträglich bereuen, dass sie seinerzeit Obama den Vorzug gaben,
einem Jungsenator ohne Managementerfahrung, in dessen ersten
Amtsjahren manches Vorhaben scheiterte, weil er handwerkliches
Geschick vermissen ließ. Erfahrung, Kompetenz und Kompromissfähigkeit
sind Stärken, die Clinton in die Waagschale wirft. Ihr Pflichtgefühl
ist Legende. In vier Jahren als Chefdiplomatin legte sie nahezu eine
Million Flugmeilen zurück, um 112 Länder zu besuchen. Zu ihrem
Freundeskreis gehören Republikaner wie John McCain; es dürfte ihr
relativ leicht fallen, Brücken ins konservative Lager zu bauen. Nur
sehnen sich die Demokraten eben auch nach einer Kandidatin, die das
Herz wärmt. Clinton, die pro Rede angeblich zweihunderttausend Dollar
kassiert, hat Mühe, die Sorgen und Nöte der kleinen Leute zu
verstehen.
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