(ots) - Lokführer, Piloten und Logistikarbeiter haben
alle eines gemeinsam: Mit großangelegten Streikaktionen drängen sie
in diesen Wochen immer wieder in die Öffentlichkeit. Und so
unterschiedlich die Forderungen der Betroffenen sind: Es ist kein
Zufall, dass es gerade diese Berufsgruppen sind. Sind sie doch in
großem Maße von jenem Wandel betroffen, der unsere Gesellschaft mit
größtmöglicher Mobilität in die Zukunft führen soll: Personen und
Güter müssen immer günstiger und schneller von einem Ort zum anderen
gelangen. Die Streikenden erleben eine Arbeitswelt im Umbruch, in der
die einen bangen um einst garantierte Karriere- und
Alterssicherungssysteme und die anderen kämpfen für eine Vergütung,
die den veränderten Anforderungen gerecht wird. Eine weitere
Gemeinsamkeit haben die Streiks in diesen Wochen: Diejenigen, die
unter den Ausständen leiden, sind vermeintlich unbeteiligte Dritte.
Streiken die Lokführer der Deutschen Bahn, die Piloten der Lufthansa
oder die Paketsortierer bei Amazon, so sind es zwar auch die
Fluggesellschaften oder Logistikunternehmen, die großen finanziellen
und immateriellen Schaden davontragen. Es sind darüber hinaus aber
auch Tausende andere betroffen, die keinerlei unmittelbaren Einfluss
auf die Erfüllung oder Nichterfüllung der Forderungen nehmen können:
Geschäftsreisende und Urlauber, die geplante Meetings oder
langersehnte Pauschalreisen verpassen, ebenso wie Unternehmen, bei
denen die Produktion zum Erliegen kommt, wenn dringend benötigte
Teile nicht mehr geliefert werden. Sinnvoll klingt da die Forderung,
in solchen Fällen, in denen Dritte massiv betroffen sind, ein
geändertes Streikrecht einzuführen. Eine gesetzliche Regelung, die
lange Vorlaufzeiten vorsieht, so dass sich alle Betroffenen auf den
Ausstand einstellen können. Und doch würde eine solche Regelung das
Streikrecht massiv schwächen. Denn Arbeitskämpfe müssen wehtun, um
überhaupt etwas bewirken zu können. Dabei ist es höchst
problematisch, dass es momentan ausgerechnet Spartengewerkschaften
wie die GdL und die Pilotenvereinigung Cockpit sind, denen es am
effektivsten gelingt, immer wieder große Teile des öffentlichen
Lebens lahmzulegen, um ihre teils machtpolitisch motivierten
Partikularinteressen durchzusetzen. Und dass sie dabei den Eindruck
entstehen lassen, als seien sie an einer ernsthaften Kompromisslösung
des Konfliktes am Verhandlungstisch kaum interessiert: So erscheinen
die Arbeitskämpfe tatsächlich als demokratisch legitimiertes
Erpressungsmanöver. Das geplante Tarifeinheitsgesetz soll dem
Einfluss von Kleingewerkschaften Schranken setzen. Das kann als
wichtiges Korrektiv dienen und soll verhindern, dass das Streikrecht
für die Durchsetzung von Partikularinteressen missbraucht wird. Das
Streikrecht darüber hinaus zu beschränken, wäre allerdings
gefährlich: Es muss Arbeitnehmern möglich sein, auf Missstände
aufmerksam zu machen und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Gelingt das nicht am Verhandlungstisch, kann es - als letztes Mittel
- notwendig sein, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und so
politische Entscheidungsprozesse anzustoßen, einen öffentlichen
Diskurs über die Maximen, die für die Arbeitswelt in unserer sich
wandelnden Gesellschaft gelten sollen. Wie wichtig sind
Kündigungsschutz und faire Bezahlung? Welche Sonderregelungen sollen
für welche Berufsgruppen in welchem Alter gelten? Und auch: Wie soll
Arbeitnehmervertretung in Zukunft gestaltet werden? Viele der Fragen,
für die heute auch gestreikt wird, sind Fragen, die die gesamte
Gesellschaft betreffen. Und wenn dem so ist, dann ist es auch
legitim, wenn auch die gesamte Gesellschaft von den Folgen des
Streiks betroffen ist. Denn jeder einzelne kann auch Einfluss auf die
langfristigen Ergebnisse dieser Streiks nehmen. Vielleicht nicht
unmittelbar, aber auf jeden Fall am nächsten Wahlsonntag.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de