(ots) - Der dbb lehnt jede gesetzliche Regelung von
Tarifeinheit grundsätzlich ab. Der Gesetzentwurf, den
Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) am 4. November 2014 vorgelegt
hat, "ist verfassungsrechtlich bedenklich, gesellschaftspolitisch
nachteilig und handwerklich problematisch", erläuterte der dbb
Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt bei der Anhörung des
Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Soziales am 4. Mai 2015 in
Berlin.
"Ausgehend von der schwerwiegenden und in keiner Weise annehmbaren
Einschränkung von Grundrechten geht der dbb davon aus, dass das
Gesetzesvorhaben nachhaltigen Schaden in der bundesdeutschen
Gewerkschaftslandschaft anrichtet, der nicht ohne Folgen für die
Gesamtstärke der bundesdeutschen Gewerkschaftbewegung bleiben wird
und über eine Zerrüttung des Betriebsfriedens in unzähligen Fällen
auch für die Arbeitgeber von nachteiliger Wirkung sein wird. Dass
darüber hinaus das konkrete Gesetzesvorhaben auch bei einer Umsetzung
gleich mehrere unlösbare Probleme aufwirft, macht deutlich, dass das
gesamte Projekt nicht geeignet ist, die Tarifautonomie in Deutschland
zu stärken. Das Gegenteil wäre der Fall", so Dauderstädt.
"Artikel 9 des Grundgesetzes ist eindeutig", betont der dbb in
seiner Bewertung des Gesetzentwurfs: "Die Freiheitsrechte werden über
jede Ordnungsfunktion gestellt. Er lässt eine Unterordnung des
Grundrechts auf Koalitionsfreiheit unter gesellschafts- oder
wirtschaftspolitische Zweckmäßigkeitserwägungen nicht zu. Genau das
jedoch versucht der vorliegende Referentenentwurf. Vorgebliche
'gesamtwirtschaftliche Belange' und eine behauptete
'Entsolidarisierung' sollen mit dem Tarifeinheitsgesetz
rechtfertigen, die Koalitionsfreiheit einzuschränken. In der
Konsequenz dieses Gesetzes würde in Zukunft zahlreichen
Gewerkschaften und hunderttausenden von Arbeitnehmern die Möglichkeit
genommen, sich frei und selbstbestimmt um die Wahrung und Förderung
ihrer Arbeitsbedingungen zu kümmern", heißt es in der Stellungnahme.
Der im Gesetzentwurf gemachte Versuch, diesen Verlust an
Koalitionsfreiheit über ein "Recht auf Nachzeichnung" und ein "Recht
auf Anhörung" zu kompensieren, reiche bei weitem nicht aus, um
plausible Interessenvertretung gegenüber den Mitgliedern zu beweisen
oder gar verfassungsrechtliche Bedenken zu zerstreuen. "Im Gegenteil:
Der Gesetzentwurf würde ein Zwei-Klassen-Gewerkschaftssystem
manifestieren, bei dem die Gestalter die erste Klasse bilden und die
Nachzeichner ohne Streikrecht die zweite Klasse."
Das Mehrheitsprinzip sei zudem kein grundgesetzkonformes
Kriterium, da es die Organisationsfreiheit der Arbeitnehmer in
unzulässiger Weise einschränke, wenn diese sich berufsspezifisch oder
weltanschaulich orientiert organisieren wollten: Der
Koalitionsfreiheit sei aus sich heraus jedes Zählverfahren fremd,
betonte der dbb Chef. "Bei tarifpluralen Abschlüssen - wie zuletzt
für die Lehrer mit den Ländern - würde in jeder Verwaltungseinheit
gezählt werden müssen, was den Flächentarifvertrag zerstören würde",
erläuterte Dauderstädt.
Mit einem Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes drohen dem dbb
zufolge zudem gesellschaftspolitische Nachteile. So würden
freiwillige Absprachen zwischen konkurrierenden Gewerkschaften, für
die es aktuell insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes
viele positive Beispiele gibt, gefährdet, weil die größere
Gewerkschaft das Interesse an einer Kooperation verliert. "Auf diese
Weise gingen zahlreiche den Betriebsfrieden und den Flächentarif
stärkende Absprachen verloren", warnte Dauderstädt. "Ersetzt würden
sie in vielen Betrieben durch eine Verschärfung der Konkurrenz
zwischen verschiedenen Gewerkschaften auf Betriebsebene."
Die komplette Stellungnahme des dbb zum Entwurf des
Tarifeinheitsgesetzes gibt es online unter www.dbb.de.
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dbb - beamtenbund und tarifunion
Dr. Frank Zitka
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