(ots) - Im Kitastreik wird Kritik am Vorgehen der
Gewerkschaft ver.di laut. In Hamburg verlangt sie von ihren
Mitgliedern die Unterzeichnung einer Klausel, wonach Streikbrecher
aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden. Nach Informationen des
NDR Politikmagazins "Panorama 3" gehen die Forderungen noch weiter:
Demnach müssen Erzieher das zuvor erhaltene Streikgeld zurück zahlen,
wenn sie den Arbeitskampf nicht fortsetzen wollen. Wörtlich heißt es
in dem Schreiben, das "Panorama 3" vorliegt: "Ich verpflichte mich,
die erhaltene Streikunterstützung zurückzuzahlen, wenn ich wegen
Streikbruchs aus ver.di ausgeschlossen werde." Der Passus ist Teil
eines Dokuments zur Streikerfassung, der Mitgliedern zur Unterschrift
vorgelegt wird.
Eine solche Klausel hält der Arbeitsrechtler Professor Peter
Schüren, Universität Münster, für unwirksam, weil sie die Mitglieder
unverhältnismäßig belaste: "Das setzt die Mitglieder unter einen
ständig steigenden Druck, weiterzumachen. Die Erzieherinnen und
Erzieher, die streiken, verbrauchen das Streikgeld für ihren
Lebensunterhalt. Dafür wird es gezahlt."
Auf Nachfrage von "Panorama 3" bestätigte ver.di die Existenz des
Dokuments. Es werde bundesweit bei ver.di-Streiks als Formblatt
benutzt. Der Passus sei in der Satzung vorgesehen. In der aktuellen
Auseinandersetzung werde man die Möglichkeit des Ausschlusses aus
ver.di wegen Streikbruchs und die Rückzahlung von geleisteten
Streikgeldern aber nicht anwenden. Hilke Stein,
ver.di-Verhandlungsführerin in Hamburg, sagt dazu: "Das Streikgeld
wird ausgezahlt für diejenigen, die gestreikt haben, an den Tagen, an
denen sie gestreikt haben. An den Tagen, an denen sie nicht gestreikt
haben, wird kein Streikgeld ausgezahlt. Es wird auch nichts zurück
gefordert." Die Gewerkschaft behauptet, dass sie ihre Mitglieder auch
darüber informiert habe.
Doch diese Information scheint bei etlichen ver.di-Mitgliedern
nicht angekommen zu sein. Eine Erzieherin sagte "Panorama 3", sie
empfinde das Schreiben als Gängelung, sie trotz zunehmender Zweifel
auf Gewerkschaftslinie zu halten: "Ich werde meine Mitgliedschaft
jetzt kündigen."
Auch der Geschäftsführerin der "Elbkinder. Vereinigung Hamburger
Kitas", Katja Nienaber, ist das Dokument bekannt: "Mitarbeiter haben
uns angerufen und gesagt, sie würden gern wieder arbeiten. Aber auf
ihrem Formular würde stehen, sie müssten, wenn sie den Streik
beenden, das Streikgeld zurück zahlen. Sie unterliegen dann natürlich
einem finanziellen Druck und befinden sich in einem Zwiespalt."
Streikgeld wird von Gewerkschaften gezahlt, um für ihre Mitglieder
den Lohnausfall während des Arbeitskampfes auszugleichen. Auch die an
dem Streik beteiligte Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
führt Streikerfassungslisten, allerdings ohne eine derartige Klausel.
"Bei uns gibt es das nicht, dass jemand, der aus eigener Entscheidung
den Streik unterbricht, Streikgeld zurück zahlen muss", sagte Jens
Kastner, Sprecher der Fachgruppe Kinder- und Jugendhilfe der GEW
Hamburg, "Panorama 3". "So einen Passus haben wir nicht."
Die Kritik an dem Schreiben bekommt vor dem Hintergrund Gewicht,
dass sich inzwischen Zweifel an der Ausrichtung des Streiks in
Hamburg mehren. "Ich fühle mich schlecht informiert", sagte eine
Erzieherin gegenüber "Panorama 3". Als in Hamburg über den
unbefristeten Streik abgestimmt worden sei, habe ver.di nicht
ausreichend kenntlich gemacht, dass es um einen bundesweiten
Tarifvertrag gehe, der in Hamburg nicht gelte. Hamburg hat bereits
jetzt eine finanziell höhere Eingruppierung der Erzieherinnen als im
restlichen Bundesgebiet. Hilke Stein von ver.di Hamburg betonte:
"Eine bundesweite Regelung wird auch für Hamburg Auswirkungen haben."
Sollte auf Bundesebene ein Kompromiss gefunden werden, müsse für
Hamburg jedoch nochmals verhandelt werden, so Experten.
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralf Pleßmann
Tel: 040-4156-2333
http://www.ndr.de
https://twitter.com/ndr