(ots) - Viel Ärger hat es schon gegeben, bevor der
Ausschuss, der die großkonzernfreundliche Steuerpraxis in Europa
untersuchen soll, überhaupt die Arbeit aufnahm. Dass statt eines
offiziellen Untersuchungsausschusses nur ein Sonderausschuss mit
weniger formalen Rechten zustande kam, wurde von nicht wenigen
Europaabgeordneten als Versuch gewertet, den
EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu schützen. Der
nämlich trug in seiner früheren Funktion als Premierminister
Luxemburgs politische Verantwortung für die Ministeuern, die Hunderte
großer Unternehmen dort lediglich zahlten. Die entsprechenden
"LuxLeaks"-Enthüllungen brachten den neuen Kommissionschef gleich zu
Beginn seiner Amtszeit in große Bedrängnis. Er selbst hat bisher
nicht vor dem Ausschuss ausgesagt - ob es dazu kommt, ist unklar.
Immerhin jedoch hat seine Kommissarin Margrethe Vestager, die das
Steuerdumping parallel von der Seite der Wettbewerbsverzerrung her
untersucht, bisher freie Hand und die einzigen relevanten neuen
Informationen geliefert: 65 Steuerdumping-Untersuchungen hat Europas
oberste Wettbewerbsbehörde seit 1991 in 15 EU-Staaten durchgeführt,
21 Mal wurde eine unzulässige Vorzugsbehandlung für Konzerne
festgestellt. Viele Staaten freuten sich jedoch nicht über die
Steuerrückzahlungen der betroffenen Konzerne, sondern klagten gegen
die Kommissionsentscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof. Das ist
ein klares Anzeichen dafür, dass die Multis und die Ministerien bei
der Steuervermeidung Hand in Hand arbeiten - die einen, um Steuern zu
sparen, die anderen, um große Arbeitgeber ins Land zu locken. Da kann
es kaum überraschen, dass sich weder die Firmen noch die
Finanzminister im Ausschuss des Europaparlaments blicken lassen. Es
ist ein Skandal, wie nonchalant sie sich den Auskunftsersuchen einer
demokratisch gewählten Institution wie dem Europaparlament entziehen.
Im Ergebnis bleiben die parlamentarischen Aufklärer auf den "guten
Willen" der Beteiligten angewiesen. Es ist ein demokratisches
Armutszeugnis, dass sich die Bürger bei der Aufklärung des
milliardenschweren Betrugs am europäischen Steuerzahler auf die
Wettbewerbsbehörde verlassen müssen.
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