(ots) - Im folkloristischen Bilderreigen des
bayerischen Alpen-Disneylands fehlte höchstens noch der Wolpertinger
als Maskottchen für Angela Merkel und ihre Gipfelgäste. Kitsch as
Kitsch can, lautete das Motto der PR-Show in Elmau. Oder, um es mit
Ministerpräsident Horst Seehofer zu sagen: "Das ist bayerische
Perfektion." Kaum ein weiß-blaues Klischee wurde ausgelassen, um die
Mächtigen - abgeriegelt von 20 000 Polizisten - im Idyll einer heilen
Welt zu inszenieren. Was für ein Widerspruch zur Wirklichkeit! Denn
die Welt ist gerade dabei, auseinanderzufliegen. Der andauernde
Flüchtlingsstrom nach Europa, die Barbarei der IS-Terrormiliz, der
Krieg in der Ostukraine, die nicht endende Eurokrise, die Folgen des
Klimawandels, und und und. Die Liste der Probleme wird von Gipfel zu
Gipfel länger, und es stellt sich die Frage, wie sieben Staats- und
Regierungschefs - von kurzfristigem Krisenmanagement einmal abgesehen
- wirklich je einen großen Wurf schaffen wollen. Immerhin müssten sie
nicht nur einen gordischen Knoten durchschlagen, sondern mindestens
ein Dutzend. Den Gipfel in Elmau auf ein schätzungsweise 350
Millionen Euro teures alkoholfreies Weißbier für US-Präsident Barack
Obama bei seinem Treffen mit Trachtlern in Krün zu reduzieren, wäre
jedoch unfair. Denn beim umstrittenen Thema Klimaschutz kann Merkel
einen überraschenden Achtungserfolg verbuchen. Die Kanzlerin rang der
G7-Gruppe eine Erklärung ab, die über dem kleinsten gemeinsamen
Nenner liegt - und damit über den Erwartungen. Die Ankündigung, die
Treibhausgase im 21. Jahrhundert auf null zu reduzieren, ist ein
ehrgeiziges Ziel, das man im Kampf gegen die Erderwärmung nur
begrüßen kann. Die Frage lautet jetzt, wie Merkel die
Null-Emissions-Politik weltweit durchsetzen will - also auch in China
oder Indien - wenn die Bundesregierung den CO2-Ausstoß schon im
eigenen Land nicht in den Griff bekommt. Dennoch: Merkel hat die
Klimaschutzmarke hoch gesetzt. Man darf gespannt sein, ob das so
bleibt, wenn die heimische Braunkohleindustrie Sturm dagegen läuft.
Bei einem anderen wichtigen Thema - dem Ukraine-Konflikt - erging
eine deutliche Warnung an Russland. Man darf zwar bezweifeln, dass
sich Kremlchef Wladimir Putin von der Drohung mit weiteren Sanktionen
groß beeindrucken lässt. Dennoch sendete der Gipfel ein Signal der
transatlantischen Geschlossenheit. Auch das war nicht
selbstverständlich. Die G7-Länder sind bei weitem nicht der
freundschaftliche Haufen, wie Merkel, Obama & Co. in Elmau weismachen
wollten. Das leutselige "Grüß Gott" des US-Präsidenten in Krün kann
nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsch-amerikanische
Freundschaft durch die NSA-Affäre nach wie vor schwer belastet ist.
Und ausgerechnet dieses Thema klammerten die Kanzlerin und der
US-Präsident aus. Gleichzeitig wünscht sich Washington von der
Bundesregierung einen völlig neuen Kurs in der Eurokrise.
Griechenland soll nach den US-Vorstellungen um jeden Preis im
Euroraum gehalten werden. Für Merkel war diese Art von
Scheckbuchpolitik bislang ein rotes Tuch - für Obama ist sie eine
ernsthafte Option. Und auch innerhalb Europas steht die
Bundesrepublik in der Finanzkrise ziemlich isoliert da. Die
wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Extrawünsche der Griechen
sind Finnland, die Niederlande und Österreich - nicht etwa
Frankreich. Das verdeutlicht: Der deutsch-französische EU-Motor ist
längst Geschichte. Insofern hatten die idyllischen Gipfelszenen auch
für Merkel großen Symbolwert: Die Kanzlerin als Gastgeberin der
Mächtigen - sie steht im Kampf gegen Weltkrisen nicht allein auf
weiter Flur, sollen die Bilder suggerieren. Doch bei dem Übermaß an
Kitsch und Klischees in Elmau kann dieses Kalkül nach hinten
losgehen. Wenn eine derart sündteure politische Inszenierung wie
reiner Selbstzweck wirkt, wird sie zur Farce.
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