(ots) - 17. Juni 2015 - Der frühere Chef der Europäischen
Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hat eindringlich davor
gewarnt, Griechenland aus dem Euro auszuschließen. Es "wäre es
historisch unverantwortlich von anderen Ländern, die Situation
auszunutzen, um die Griechen hinauszu- werfen", sagte Trichet im
Interview mit dem Wirtschaftsmagazin 'Capital' (Ausgabe 7/2015, EVT
18. Juni). Ein Grexit "wäre die allerschlechteste Lösung für die
Griechen. Und wer glaubt, dass Europa besser dran wäre, ist meiner
Ansicht nach naiv."
Trichet befürchtet vor allem geopolitischen Folgen. "Wenn es zu
einer katastrophalen Entwicklung in Griechenland kommt, hätte Europa
der ganzen Welt demonstriert, dass es gescheitert ist, in seiner
eigenen Region für Stabilität und Ordnung zu sorgen", so der
Franzose, der bis 2011 EZB-Präsident war. Die Hauptverantwortung, um
dieses Szenario abzuwenden, sieht Trichet bei der Linksregierung von
Ministerpräsident Alexis Tsipras. Sie müsse ein ökonomisches Programm
vorlegen, das sowohl "bei den hilfsbereiten Europäern und der
internationalen Gemeinschaft" wie auch bei der eigenen Bevölkerung
wieder Vertrauen schaffe. Dann könnten Lösungen für Athens
Schuldenproblem gefunden werden, "möglicherweise durch längere
Laufzeiten und niedrigere Zinsen" auf Kredite.
Trichet übt auch Kritik an den zwei größten Euro-Staaten
Deutschland und Frankreich. "Die Deutschen vergessen manchmal, dass
sie nicht die Einzigen sind, die zahlen." Indirekt fordert er die
Bundesregierung auf, die Binnennachfrage im eigenen Land anzukubeln,
um so die Eurozone insgesamt zu stärken. Trichet spricht sich für
höhere Löhne und Gehälter in Deutschland aus. Frankreich hingegen
benötige wettbewerbsfähigere Lohnkosten, eine Liberalisierung des
Arbeitsmarkts und niedrigere Staatsausgaben. Trichet: "Ich fordere
die Regierung auf, in allen drei Punkten schneller voranzugehen."
"Meine dringende Botschaft an die Euro-Regierungen lautet: Bringt
Eure Häuser in Ordnung!", so Trichet. "Wenn ihr die Zeit nicht nutzt,
die euch die Notenbank gegeben hat, um euren Job zu machen, steuern
wird auf eine neue Krise zu."
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