(ots) - 17. Juni 2015 - Aus Cent-Beträgen werden Millionen.
Nach Recherchen des Wirtschaftsmagazins 'Capital' (Ausgabe 7/2015,
EVT 18. Juni) entstehen dem Steuerzahler durch eine absurde Regelung
im Pfandsystem Schäden in Höhe von jährlich bis zu 40 Millionen Euro.
In Berlin hätten mittlerweile Clans die Lücke im System entdeckt und
das Geschäft mit den Pfandflaschen professionalisiert. Dabei geht es
hauptsächlich um Einwegpfandflaschen.
Und das funktioniert so: Wer im Einzelhandel Wasser in einer
Einwegflasche kauft, zahlt 25 Cent Pfand. Die bekommt er zurück, wenn
er die Flasche wieder abgibt. Die Mehrwertsteuer wird hier nicht
fällig. Im Großhandel jedoch wird die Mehrwertsteuer auch auf Pfand
berechnet, es beträgt hier 30 Cent. So regelt es das Gesetz. Wer nun
im Einzelhandel kauft und im Großhandel abgibt, macht 5 Cent Gewinn.
Per Gesetz sind die Händler verpflichtet, jede Einwegpfandflasche
anzunehmen. Egal wo sie gekauft wurde. Dem Großhandel entsteht
dadurch kein Schaden, denn die Mehrwertsteuer wird mit dem Fiskus
verrechnet. So finanziert am Ende der Steuerzahler die Masche der
Flaschensammler.
Wer das Modell im großen Stil betreibt, macht satte Gewinne. In
Berlin hat sich bereits ein Clan darauf spezialisiert, das Leergut
von Kiosken, Kneipen und Restaurants abzuholen - und zahlt den
Besitzern das im Einzelhandel übliche Pfand. Denn dort kaufen die
meist ein, weil der Discounter oft der billigste Markt ist. Abgegeben
wird das Leergut aber im Großhandel.
"70 bis 80 Prozent aller zurückgenommenen Einwegflaschen stammen
mittlerweile aus dem Einzelhandel", sagte ein Metro-Mitarbeiter aus
Berlin gegenüber 'Capital'. Teilweise kämen Leergutlieferungen mit
bis zu 5.000 Flaschen. Und das mehrmals am Tag. Der Anteil dürfte
sogar noch steigen, denn immer mehr Marken wie Coca-Cola setzen
verstärkt auf Einwegflaschen. Und nicht nur Clans wie in Berlin
bereichern sich an der Mehrwertsteuer. Jeder, der einen
Großhandelsausweis besitzt - Gewerbetreibende, Selbstständige und
Freiberufler - kann sein Leergut im Großhandel eintauschen. Und so
nutzen auch immer mehr Einzelpersonen den Trick.
Das Bundesfinanzministerium sieht sich nicht verantwortlich für
die Steuerverschwendung. "Der Sachverhalt ist auf das DPG-Pfandsystem
und die zugrunde liegenden, zivilrechtlichen Vereinbarungen
zurückzuführen." Damit habe er seine Ursache nicht im
Umsatzsteuerrecht.
Der Deutschen Pfandsystem GmbH, kurz DPG, sei das Prinzip nicht
bekannt gewesen, sagte Geschäftsführerin Verena Böttcher. Sie räumte
jedoch ein, dass das skizzierte System funktioniere - und in der Tat
zulasten des Steuerzahlers gehe. Bei der Einführung im Jahr 2003 sei
"die Zeit sehr knapp" und der "politische Druck groß" gewesen. Die
Strukturen seien sehr kompliziert und das Potenzial für Abzocke und
Betrug gewaltig, sagt sie. Denn Pfandflaschen im Wert von 16 bis 18
Milliarden Euro zirkulierten in Deutschland. Nach Berechnungen von
'Capital' dürfte sich der Schaden für den Fiskus auf bis zu 40
Millionen Euro im Jahr belaufen. "Das ist nicht einmal alles", sagte
ein Metro-Mitarbeiter. Denn auch bei leeren Mehrwegflaschen
funktioniere das Prinzip.
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