(ots) - Ganz Bayern und ganz Oberösterreich sind 2014
geflüchtet. Alle Menschen zwischen Aschaffenburg und dem
Dachsteingebirge haben zwischen Neujahr und Silvester ihre Koffer
gepackt und sind geflohen - weil sie hungern müssen, weil Bomben in
ihrer Nachbarschaft einschlagen, weil Polizei oder Milizen sie
verfolgen, foltern, verstümmeln, ihre Freunde und Verwandte töten.
Das ist nicht das Drehbuch eines Katastrophenfilms. Das ist heute die
Dimension von Flucht und Vertreibung auf dieser Welt. Knapp 14
Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr ihre Heimat verlassen,
60 Millionen sind auf der Flucht - so viele Menschen wie seit dem
Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Ihnen ist der heutige
Weltflüchtlingstag gewidmet. Viele dieser Menschen treibt es nach
Europa, etliche darunter nach Deutschland. Und nichts spricht dafür,
dass sich daran bald etwas ändert. Die Politik in der Europäischen
Union, der selbsternannten Heimat des Menschenrechts, muss zu dieser
Tatsache endlich stehen. Sie darf ihren Bürgern nicht weiter die
Illusion verkaufen, die Tragödie der Flucht sei eine
"Flüchtlingswelle" oder ein "Flüchtlingsstrom", den man mit einer
großen Mauer aufhalten könne. Die Politik muss aufhören, Flüchtende
zu kriminalisieren - was tausende von ihnen in den Tod vor Europas
Küsten treibt - und die Flucht aus Krieg und Elend endlich
legalisieren und organisieren. Das muss einhergehen mit einer
Erkenntnis: dass Flüchtlinge Europa bereichern können. Diese Chance
weiter zu verkennen, ist nicht nur inhuman. Es ist auch
wirtschaftlich schwachsinnig. 11,3 Milliarden Euro hat die EU seit
2000 für die Rückführung von Flüchtlingen in ihre Heimatländer
ausgegeben, weitere 1,6 Milliarden für den Schutz der Außengrenzen.
Mit dem Erfolg, dass die Massenflucht nach Europa ungebremst
weitergeht. Weil das Grauen in der Heimat für die allermeisten viel
abschreckender ist als Stacheldraht und die mörderischen Tiefen des
Mittelmeers. Die Milliarden für die Abschottung wären viel besser
angelegt in Projekten, die endlich zusammenbringen, was
zusammengehört. Auf der einen Seite hunderttausende, ganz überwiegend
hochmotivierte und oft gut ausgebildete Menschen - auf der anderen
Seite ein Kontinent, in dem vielerorts Firmen keine Arbeitskräfte
mehr finden. In dem immer weniger Junge die Rente von immer mehr
Alten erwirtschaften müssen - und in denen ganze Landstriche veröden,
weil es Millionen in die Metropolen zieht. Wie die Lösung aussehen
könnte, zeigt die Stadt Utica im Nordosten der USA, die gezielt
Flüchtlinge angeworben und sich so vor dem Niedergang gerettet hat;
oder ostdeutsche Dörfer, die polnische Einwanderer vor dem Verfall
bewahren. Richtig ist natürlich auch: Kurzfristig kostet die Aufnahme
von Asylbewerbern Geld. Aber erstens würde ohne radikale Abschottung
viel gespart. Und zweitens hat es Deutschland schon einmal deutlich
mehr gekostet, Massen von Flüchtlingen aufzunehmen. Das Land war vom
Krieg zerstört, Millionen hungerten, als diese Menschen einwanderten.
Vielen von ihnen begegnete unterschwelliger oder offener Hass, oft
lebten sie in Baracken oder Flüchtlingslagern am Rande der Städte.
Sie hatten alles verloren, waren oft schwer traumatisiert - und ihre
Begegnung mit den Einheimischen war von Kulturschocks geprägt. Das
war Deutschland im Jahr 1945. Und wenige Jahre später trugen diese
Menschen - Sudetendeutsche, Schlesier und Ostpreußen - großen Anteil
am Wirtschaftswunder. Auch ihnen ist der Weltflüchtlingstag gewidmet.
Und diese Menschen sieht heute niemand mehr als "Flüchtlingsstrom".
Sondern nur noch als Bereicherung.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de