(ots) - Die Kanzlerin muss sich darauf einstellen, dass
Pentagon-Chef Ashton Charter bei seinem Antrittsbesuch in Deutschland
Tacheles redet. Über die Situation in der Ukraine, die Verstärkung
der konventionellen Verteidigungsbereitschaft der osteuropäischen
NATO-Staaten und die Erwartungen an die transatlantischen Partner.
"Ash", wie ihn Insider in Washington nennen, ist dafür gefürchtet, zu
reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Verbunden mit einem
ausgesprochenen Hang zur Besserwisserei, die ihm manche als Arroganz
auslegen. Carter versteht das als Auszeichnung. Stolz erzählt er noch
heute die Geschichte wie er als Teenager wegen Schlaumeierei seinen
ersten Job als Autowäscher verlor. Selber duldet der Pentagon-Chef
dagegen keine Widerworte. Bewunderer und Kritiker des in Oxford
ausgebildeten Rhodes-Stipendiaten, der Abschlüsse in theoretischer
Physik und mittelalterlicher Geschichte hat, beschreiben ihn
übereinstimmend als durchsetzungsstark. Einer, der wenig Nerv für
lange Diskussionen hat. "Ash" erwartet Gefolgschaft. Schon bei seiner
Berufung vergangenen Dezember eilte dem damaligen stellvertretenden
Verteidigungsminister der Ruf voraus, das Gegenteil seines Vorgängers
zu sein. Wo Chuck Hagel sich Zeit ließ, gibt Carter Ungeduld zu
erkennen. Durchhangeln ersetzt er durch Methode, Zögern durch
Entscheidungsfreude. Die Macher-Qualitäten verschaffen ihm Respekt
bei den zwei Millionen Uniformierten und Zivilisten, denen er
vorsteht. Und helfen, den 600 Milliarden-Dollar Haushalt des Pentagon
effizient zu managen. Die Kehrseite ist das, was andere als mangelnde
Sensibilität wahrnehmen. Carter rollt zuweilen wie eine Dampfwalze
über Personen hinweg, die ihm im Weg stehen. Diese Eigenschaften
sorgen für reichlich Konfliktpotenzial mit der Nationalen
Sicherheitsberaterin Susan Rice, der ein mindestens so dicker Schädel
nachgesagt wird. Obwohl beide Demokraten sind, findet sich der
Technokrat immer wieder auf Seiten der Falken und damit rechts vom
Präsidenten wieder. Dass Obama sich trotzdem auf ihn verlässt, hat
mit seiner unbestrittenen Expertise zu tun. Die Diplomatie überlässt
"Ash" Außenminister John Kerry. Seine Gesprächspartner müssen sich
auf Klartext einstellen. Ob hinter verschlossenen Türen oder ganz
öffentlich lässt er Abgeordneten auf dem Capitol Hill genauso
deutlich wissen, was er denkt, wie ausländische Regierungen. Das
musste zuletzt Ministerpräsident Haider Abadi in Erfahrung bringen
als Carter die Regierungstruppen Iraks öffentlich als Feiglings-Bande
bloßstellte. Die Iraker seien in Ramadi davongelaufen und hätten
"keinen Willen zu kämpfen". Mit der gleichen Direktheit lässt der
ehemals oberste Waffenbeschaffer der US-Streitkräfte Russland wissen,
dass er angesichts der Aggression in der Ukraine seine Expertise
nutzen wird, die osteuropäischen Verteidigungs-Kapazitäten zu
stärken. Genauer gesagt geht es um die Stationierung schweren
Kriegsmaterials in den baltischen Staaten, Polen, Rumänien, Bulgarien
und gegebenenfalls auch Ungarn. Die Rede ist von 250
Abrams-M1-A2-Kampfpanzern, Haubitzen und anderem Gerät, mit dem sich
im Krisenfall in kürzester Zeit 5000 US-Soldaten ausrüsten ließen. Je
nach Blickwinkel dürfte dieser raubeinige Stil bei transatlantischen
Verbündeten ankommen, die sich mehr Führungsstärke von den USA
wünschen. Umgekehrt könnte sich der Verteidigungsminister durch zu
forsches Auftreten unbeliebt machen. Gewiss wird er in Berlin, Tallin
und Brüssel diese Woche einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
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