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Mittelbayerische Zeitung: So geht die EU vor die Hunde / Dass sich die Europäer nicht auf verbindliche Flüchtlings-Quoten einigen, ist mehr als beschämend. Leitartikel von Reinhard Zweigler

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(ots) - Man kann den Frust von Italiens Premier Matteo
Renzi nur zu gut verstehen. Sein Land sowie das ohnehin gebeutelte
Griechenland tragen die Hauptlast der Flüchtlingsströme über das
Mittelmeer. Wegen ihrer langen Küsten legen dort die meisten Boote
mit Verzweifelten an, die auf dem alten Kontinent ein besseres Leben
suchen. Für Menschen, die aus der blutigen Militärdiktatur Eritrea
oder vor dem Bürgerkrieg und dem IS-Terror in Syrien und im Irak
flüchten, ist die Fahrt übers Mittelmeer an Bord von Seelenverkäufern
der letzte Strohhalm. Der Funken Hoffnung, im reichen Europa ein
Auskommen für sich und die Familie zu finden, ist größer als die
Furcht, auf dem Meer umzukommen. Gerissene, kriminelle
Schlepperbanden nutzen diese Not jedoch skrupellos aus. Diesen miesen
Geschäftemachern muss das Handwerk gelegt werden. Doch das geht nur,
wenn die Westeuropäer mit den betroffenen Staaten etwa in Nordafrika,
vor allem mit dem fragilen Libyen, zusammenarbeiten. Anders verhält
es sich freilich bei Menschen, die vom Balkan zu uns kommen. Wenn sie
in ihrer Heimat nicht verfolgt werden, haben sie kein Recht auf Asyl.
Dass für die Kriegsflüchtlinge allerdings auch in Europa nicht Milch
und Honig fließen, dass sie auf Abwehr und Bürokratie treffen, wird
ihnen erst klar, wenn sie angekommen sind. Der gute Ruf des alten
Kontinents als Hort von Menschenrechten und Demokratie entpuppt sich
in vielen Fällen als leeres Versprechen. Menschen mit
herzzerreißenden Schicksalen werden zu Zahlen auf Papier. Dass sich
die Regierungschefs der EU-Staaten nun nicht einmal auf verbindliche
Quoten für die Verteilung von etwa 60 000 Flüchtlingen einigen
konnten, die in Griechenland, Italien und anderswo in Lagern
ausharren, ist beschämend. Noch schlimmer: die Europäer haben kein
Konzept, wie sie mit der dramatischen und ganz sicher wachsenden




Flüchtlings-Herausforderung umgehen sollten. Für einige in der
Gemeinschaft gilt offenbar das - abgewandelte -
Sankt-Florians-Prinzip: Ladet die Flüchtlinge nur anderswo ab. Unser
Haus ist voll. Was schert uns fremdes Leid, wir haben selbst
Probleme. Italien, Griechenland, aber auch Frankreich. Schweden und
Deutschland nehmen Tausende Flüchtlinge auf. Doch andere -
Großbritannien, Dänemark, Polen oder die drei baltischen Staaten -
machen sich einen schlanken Fuß. Freilich hat das mit europäischer
Solidarität nichts zu tun. So geht die vielbeschworene
Wertegemeinschaft der EU vor die Hunde. Zumindest hat man sich nach
den schlimmen Vorfällen mit Hunderten Ertrunkenen vor einigen Wochen
darauf verständigt, die Flüchtlinge nicht mehr ersaufen zu lassen.
Auch deutsche Marineschiffe retten Menschen im Mittelmeer, das kein
Meer des Todes sein darf. Ob nun allerdings der geplante
Militäreinsatz gegen Schlepper den Flüchtlingsstrom wird abebben
lassen, ist fraglich. Die Verzweifelten werden andere Wege finden, um
ins gelobte Europa zu gelangen. Und wenn das eine Schlepperboot
versenkt ist, steht bestimmt ein anderes bereit für die gefährliche
Ãœberfahrt. Das jetzige Hickhack der Regierungschefs um eine halbwegs
gerechte Verteilung von Flüchtlingen ermutigt auf der anderen Seite
diejenigen, die Fremde und Flüchtlinge möglichst gar nicht ins Land,
möglichst nicht in die eigene Stadt oder Gemeinde lassen möchten. Die
Wutbürger-Demonstrationen von Pegida und Co. sind zwar abgeebbt, doch
die Wut ist noch da. Nicht nur im sächsischen Freital, wo eine
Flüchtlingsunterkunft mit Böllern und hasserfüllten Parolen
attackiert wird. Leider bestimmen die Krakeler die Schlagzeilen und
Fernsehbilder, nicht jene Tausende Bürgerinnen und Bürger, die
Flüchtlinge willkommen heißen und helfen. Aus purer Humanität, weil
es, weil wir, Menschen sind.



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Datum: 26.06.2015 - 20:44 Uhr
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