PresseKat - Westdeutsche Zeitung: In der Griechenland-Krise ist die Kanzlerin gefragt

Westdeutsche Zeitung: In der Griechenland-Krise ist die Kanzlerin gefragt

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(ots) - Ein oft strapazierter Satz von Angela Merkel
lautet: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa." In den letzten
Tagen allerdings hat sie auffällig darauf verzichtet, ihn zu
wiederholen. Weil sie wusste, dass der griechische Crash womöglich
unweigerlich kommen würde? Plötzlich ist mit Händen zu greifen, was
bis vor kurzem noch volkswirtschaftlichen Seminaren vorbehalten
schien: Ein Staatsbankrott mit unabsehbaren Folgen für den Euro, aber
auch für das Zusammenleben der Völker. Zwar jagt ein Krisen-Gipfel
den anderen, aber immer geht es dabei um die Forderungen der
Gläubiger, um Sparprogramme. Als ob Europa nur aus einer ökonomischen
Vision bestünde, aus einer Ansammlung von nackten Zahlen. Mit dem Ruf
nach einem Referendum erinnert die Tsipras-Regierung daran, dass
Europa eine demokratische Veranstaltung ist. Das Problem ist nur,
dass eine solche Volksbefragung in Griechenland längst hätte
stattfinden können. So wirkt der Entschluss wie eine
Verzweiflungstat, um seinen Landsleuten vorzugaukeln, Griechenland
könne ohne soziale Einschnitte aus der Krise kommen und den Euro
behalten. Dabei müsste die griechische Bevölkerung wohl noch viel
mehr Elend in Kauf nehmen, sollte sie die Gemeinschaftswährung
verlieren. Wer soll in Griechenland investieren, nachdem fast jedes
Vertrauen zerstört ist? Merkel ist sicher die Letzte, die es auf ein
solches Schreckenszenario angelegt hätte. Ihre Philosophie, wonach
allein Sparen zu Wachstum führt, ist jedoch krachend gescheitert. Was
fehlt, sind speziell zugeschnittene Hilfen, um dem nicht eben
export-orientierten Griechenland wieder auf die Beine zu helfen.
Freilich macht es Tsipras der Kanzlerin auch alles andere als leicht.
Es spricht Bände, dass bei den jüngsten Treffen der europäischen
Staats- und Regierungschefs kein einziges EU-Land mehr für das
Verhalten Athens Verständnis hegte. "Wo ein Wille ist, ist auch ein




Weg." Dieser Satz gehört ebenfalls zum sprachlichen Fundus der
Kanzlerin in der Griechenland-Krise. Merkel muss den Willen
aufbringen für einen Weg, um das Ruder doch noch herumzureißen. Denn
ein Grexit wäre nicht nur für Griechenland eine Katastrophe, sondern
womöglich für ganz Europa.



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Datum: 28.06.2015 - 17:49 Uhr
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