(ots) - Ein oft strapazierter Satz von Angela Merkel
lautet: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa." In den letzten
Tagen und Wochen allerdings hat die Kanzlerin auffällig darauf
verzichtet, ihn zu wiederholen. Weil sie wusste, dass der griechische
Crash womöglich unweigerlich kommen würde? Kein Zweifel, das Drama um
die Hellenen, welches Europa wie kaum ein anderes in Atem hält, hat
eine dramatische Wende erfahren. Plötzlich ist mit Händen zu greifen,
was bis vor Kurzem noch volkswirtschaftlichen Seminaren vorbehalten
schien: Ein Staatsbankrott mit unabsehbaren Folgen für den Euro, aber
auch für das Zusammenleben der Völker auf dem alten Kontinent. Und
das Schlimmste daran: Die Politik steht dem gefühlt machtlos
gegenüber. Zwar jagt ein Krisen-Gipfel den anderen. Aber immer ging
und geht es dabei um die Forderungen der Gläubiger, um Sparprogramme
und Rechengrößen. Als ob Europa nur aus einer ökonomischen Vision
bestünde, aus einer Ansammlung von Finanzbeamten und nackten Zahlen.
Mit dem Ruf nach einem Referendum erinnert die Tsipras-Regierung
daran, dass Europa eine demokratische Veranstaltung ist. Das Problem
ist nur, dass eine solche Volksbefragung in Griechenland längst hätte
stattfinden können. Schließlich ist das laufende Hilfspakt bereits
zweimal verlängert worden. Und auch Tsipras wusste um das finale
Datum des 30. Juni. So wirkt der Entschluss wie eine
Verzweiflungstat, um seinen Landsleuten vorzugaukeln, Griechenland
könne auch ohne soziale Einschnitte aus der Krise kommen und den Euro
trotzdem behalten. Dabei müsste die griechische Bevölkerung wohl noch
viel mehr Not und Elend in Kauf nehmen, sollte sie die
Gemeinschaftswährung verlieren. Wer soll denn in Griechenland
investieren, nachdem fast jedes Vertrauen zerstört ist? Merkel ist
sicher die Letzte, die es auf ein solches Schreckensszenario angelegt
hätte. Ihre Philosophie, wonach allein Sparen zu Wachstum führt, ist
jedoch gescheitert. Was fehlt, sind speziell zugeschnittene Hilfen,
um dem nicht eben export-orientierten Griechenland wieder auf die
Beine zu helfen. Freilich macht es Tsipras der Kanzlerin auch alles
andere als einfach. Es spricht Bände, dass bei den jüngsten Treffen
der europäischen Staats-Chefs kein EU-Land mehr für das Verhalten
Athens Verständnis hegte. Beim Machtantritt der Tsipras-Regierung vor
einem halben Jahr sah das noch anders aus. "Wo ein Wille ist, ist
auch ein Weg." Dieser Satz gehört ebenfalls zum sprachlichen Fundus
der Kanzlerin in der Griechenland-Krise. Merkel muss den Willen
aufbringen für einen Weg, um das Ruder doch noch herumzureißen. Denn
ein Grexit wäre nicht nur für Griechenland eine Katastrophe, sondern
womöglich für ganz Europa.
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