(ots) - Nicht nur für Alexis Tsipras schlägt jetzt die
Stunde der Wahrheit, sondern auch für Angela Merkel. Selbst wenn die
Kanzlerin den Antrag des Griechen für ein drittes Hilfsprogramm
unterstützen würde, so müsste erst einmal der Bundestag entscheiden,
ob darüber überhaupt verhandelt werden darf. Das ist die Spielregel
beim Rettungsmechanismus ESM. Politisch übersetzt heißt das, die
Rebellen in der Union bekommen deutlich mehr Einfluss. Und zwar auch
darauf, ob Merkel in die Geschichte als Totengräberin des Euro in
Griechenland eingeht oder nicht. Die Michelbachs, Ramsauers und
Linnemanns tönen schon mächtig, ein neues Hilfsprogramm komme
überhaupt nicht infrage. Und nüchtern betrachtet, haben sie nicht die
schlechtesten Argumente dafür. Um Unterstützung aus dem ESM zu
gewähren, müsste die Stabilität der Währungsunion gefährdet sein. So
steht es in den Regularien für den Rettungsschirm. Merkel selbst sagt
aber, dass Europa heute viel stärker dastehe als vor fünf Jahren - zu
einem Zeitpunkt also, als die griechische Staatsschuldenkrise offen
zutage trat. Die Regularien bestimmen auch, dass eine
Schuldentragfähigkeit des Antragstellers gegeben sein muss. Doch
inzwischen weiß jeder, dass Athen schon seine bislang aufgehäuften
Schulden nie und nimmer zurückzahlen wird. Zu erinnern ist auch an
einen interessanten Parteitagsbeschluss der CDU aus dem Jahr 2011.
Demnach wird einem Euro-Staat nahegelegt, freiwillig aus der
Gemeinschaftswährung auszuscheiden, wenn er die damit verbundenen
Regeln nicht einhält. Papier ist geduldig, mag sich Merkel damals
vielleicht gesagt haben. So wie sie in Sachen Griechenland überhaupt
das Abwarten und Aussitzen zur politischen Tugend erklärt hat. Das
könnte sich nun rächen. Wenn die Kanzlerin über weitere Hilfen für
Athen auch nur verhandeln will, muss sie zu Hause, in der eigenen
Fraktion, endlich Klartext reden - und kämpfen.
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