(ots) - Es ist schon im normalen Wirtschaftsleben ein
schmaler Grat zwischen Konkursverschleppung und nochmaligem
Kapitalzuschuss. Das gilt erst Recht für Staaten. Ein Land in den
Abgrund eines brutalen Neuanfangs zu stoßen, das muss man
verantworten können. Ebenso muss man gegenüber den eigenen Bürgern
verantworten, neue Milliarden in ein Fass ohne Boden zu kippen. Dazu
hat man sich im Fall Griechenland entschieden, in der Hoffnung, dass
der Boden noch kommt. Die Mehrheit der Deutschen und Finanzminister
Wolfgang Schäuble hätten die Griechen lieber ziehen lassen. Mit der
Volksabstimmung haben die Griechen ihre Reformverweigerung
dokumentiert. Doch das reformlahme Frankreich wollte mit Italien die
Abtrennung nicht, ebenso nicht die Kanzlerin. Merkel will nicht als
gescheiterte Euro-Retterin in die Wahl 2017 gehen. Das ist ihr gegen
alle früheren Zusagen ein drittes Rettungsprogramm wert. Dabei weiß
jeder, dass es ohne einen Schuldenschnitt nicht gehen wird - nur darf
er nicht vor der Bundestagswahl kommen. Niemand weiß hingegen, ob
Griechenland die erneut versprochenen Reformen tatsächlich umsetzen
wird. Hier vertraut man auf Tsipras' großem Syriza-Ehrenwort.
Vielleicht gelingt dem Griechen-Premier ja morgen die
Beschlussfassung im Athener Parlament. Aber auch die Umsetzung in der
Gesellschaft? Immerhin krallt sich Europa einen Teil des griechischen
Volksvermögens als Sicherheit. Das ist ein tatsächlicher Fortschritt.
Ob man aber im Bedarfsfall an dieses Geld herankommen wird, ist
fraglich. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Europa in drei Jahren
an dem gleichen Punkt stehen wird wie Sonntagnacht. Freilich hätte
man dann dank Schäuble eine Alternative - den Grexit auf Zeit.
Tsipras bezahlt für die Einigung mehr als vor dem Referendum. Das
muss er seinem Volk erklären. Die Deutschen sind die falsche Adresse
für die wütenden Proteste vor allem der griechischen Presse. Tsipras
sollte außer für die versprochenen Gesetze in seinem Land dafür
werben, dass die Polemik gegen die Retter aufhört. Sonst schafft es
die gestrige Einigung nicht einmal in jedem der 19 Mitgliedsstaaten
der Eurozone über die allererste Hürde.
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