(ots) - Nicht das Strafmaß ist das Entscheidende des Urteils
gegen Oskar Gröning, sondern der Schuldspruch. Schon die Tatsache,
dass sich dieser Mann überhaupt vor einem deutschen Gericht
verantworten musste, ist von historischer Bedeutung. Und die
Gerechtigkeit? Ihr konnte sich der Richterspruch bestenfalls
annähern. Wie sähe eine gerechte Strafe aus für 300000-fache Beihilfe
zum Mord? Ãœber viele Jahrzehnte hat sich die deutsche Justiz unwillig
oder unfähig gezeigt, angemessene Antworten auf das monströse
Verbrechen des Holocaust zu finden. Die Lüneburger Staatsanwälte und
Richter haben das Bild im letzten Moment wenigstens noch ein bisschen
zurechtgerückt. Ihre Antwort ist zwar immer noch keine befriedigende,
aber eine bemerkenswert deutliche. Sie lautet: Selbst wer nur ein
kleines Rädchen im verbrecherischen Getriebe des Völkermords war,
leistete willentlich seinen Beitrag zum Funktionieren der
Todesmaschinerie. Und trägt folglich Schuld - nicht nur im
moralischen, sondern auch im strafrechtlichen Sinn. Es war das
Landgericht München, das sich vor vier Jahren im Prozess gegen den
früheren KZ-Aufseher Demjanjuk erstmals zu dieser - gemessen an
früheren Zeiten - rigorosen Rechtsauffassung durchrang. Offenbar
konnte dies erst zu einem Zeitpunkt geschehen, da ein Großteil der
damaligen Täter unter der Erde war. Hätten die von den Münchener und
Lüneburger Richtern angewandten Maßstäbe schon in den 50er, 60er oder
70er Jahren vor deutschen Gerichten gegolten - Tausende hätten hinter
Gitter wandern müssen.
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