(ots) - Wenn Minderjährige in Kinderheimen untergebracht
werden, soll dies laut Jugendamt zu ihrem eigenen Wohl geschehen.
Doch ist dem tatsächlich so? In den vergangenen Monaten sorgten immer
wieder Fälle für Schlagzeilen, bei denen Aktivisten Minderjährige aus
Kinderheimen in ihre "Obhut" nahmen. Ihr Vorwurf: Kinder würden ohne
Grund vom Jugendamt aus Familien gerissen und in Heime gesteckt, wo
sie nicht kindgerecht behandelt würden. Die Behörden sagen: Das ist
Selbstjustiz. Doch die Aktivisten sind sich sicher: Jugendämter
handeln bewusst mit Kindern. Nicht das Kindeswohl, sondern
wirtschaftliche Interessen stünden dabei im Vordergrund. Am Dienstag,
den 28. Juli, zeigt das RTL-Mittagsmagazin "Punkt 12" eine umfassende
Reportage zum Thema. Reporter Martin Drohsel recherchierte wochenlang
in der Szene und traf einen Insider, der, wie viele andere, an einen
"staatlichen Kinderklau" glaubt und ganz klar ankündigt, dass
zukünftig solche "Inobhutnahmen" der inzwischen gut organisierten
Aktivisten zunehmen werden.
Sein Fall sorgte erst kürzlich für Schlagzeilen: Der 12-jährige
Tom (Name wurde von der Redaktion geändert) war plötzlich spurlos aus
einem Heim verschwunden. Es folgten intensive Suchaktionen der
Polizei, ohne Ergebnis. Wochen später erscheint ein einstündiges
Video im Internet, in dem der Junge betont, dass es ihm gut ginge.
Was war passiert? Die selbsternannte "Kindesretterin" und Aktivistin
Angela M. hatte das Video erstellt und Tom angeblich auf seinen
eigenen Wunsch hin bei sich aufgenommen, nachdem der Junge vor
vermeintlich miserablen Zuständen im Kinderheim geflüchtet sei. Was
für die Behörden nach Kindesentzug aussieht, ist für die Aktivisten
keine Straftat, sondern das einzig Richtige.
Aktivist Thomasz Gucze war bereit, offen mit "Punkt 12"-Reporter
Drohsel zu sprechen: "Man lastet uns das an, wir würden diese Kinder
verstecken. Die Kinder suchen Hilfe! Die brauchen Hilfe und wir
versuchen, diesen Kinder zu helfen! Nicht den Jugendämtern. Es geht
ja um das Kindeswohl. Und wenn das Kind sich nicht wohlfühlt im
Jugendheim oder Kinderheim, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass
das Kind wegkommt von dort." Der gelernte Bauarbeiter, der selbst
Vater ist, kennt sich, nach eigener Aussage, in der Aktivistenszene
aus und brachte bereits selbst Heimkinder bei sich unter. Aktuell
wird gegen ihn ermittelt - wegen Verdachts der Entziehung
Minderjähriger.
In den vergangenen Jahren sind tatsächlich immer mehr Kinder in
staatliche Obhut gekommen. Welche Rolle dabei die steigende Zahl von
Flüchtlingskindern spielt oder auch die Tatsache, dass die Ämter
inzwischen schneller reagieren, interessiert Gucze offensichtlich
nicht. Für ihn und weitere Aktivisten steht fest, dass Kinder zu
schnell ihren Familien entzogen würden und sie in den Heimen
gefährdet seien. Er vermutet vor allem finanzielle Interessen der
Heimbetreiber als Auslöser: "Die handeln mit Kindern. Bewusst! Es
kann mir keiner erzählen, dass die nicht mit Kindern handeln. Weil
welches Interesse hat jemand, der für die Kinder sorgen soll, aber
denen schaden tut. Da muss doch irgendwo ein finanzielles Interesse
dahinterstehen."
Für Verone Schöninger, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Hessen,
ist das Handeln der Aktivisten dagegen reine Selbstjustiz, die eine
Gefahr für die Minderjährigen darstelle: "Das halte ich für eine
glatte Gefährdung des Kindeswohls. Weil das im Interesse der
Erwachsenen passiert und meiner Meinung nach die Interessen der
Kinder da zu kurz kommen. Es wäre mehr im Interesse der Kinder, diese
Erwachsenen auch als Unterstützer zu gewinnen, um Fragen, die das
Kind hat, auch aufzubereiten. Aber nicht einfach eine illegale
Handlung vorzunehmen, indem das Kind entführt wird."
Tom wurde inzwischen gefunden, über 100 Kilometer von seinem
Kinderheim entfernt. Ist er zum er Spielball der Aktivisten geworden
oder tatsächlich ein Justizopfer? Im Fall des 12-Jährigen bleiben
viele Fragen offen. Wurde er instrumentalisiert, um das Video zu
drehen, hat er tatsächlich aus freien Stücken gehandelt und wie
konnte er gezielt bei der 52-jährigen Aktivistin unterkommen? Die
Polizei ermittelt derzeit in alle Richtungen.
Thomas Gucze sieht das Vorgehen der Aktivisten nicht als
Selbstjustiz. Er hat dabei kein Unrechtsbewusstsein. Im Gegenteil: Er
betont, dass in Zukunft immer mehr Kinder aus staatlicher Obhut
verschwinden: "Es gibt gewisse Strukturen, die sich momentan
mobilisieren und aufbauen. Und die werden nicht öffentlich
transportiert. Fakt ist aber, dass diese Inobhutnahmen massiv
zunehmen werden. Das ist einfach so."
Verwendung der Zitate nur mit Quellennachweis: RTL Mittagsmagazin
"Punkt 12"
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