(ots) - LEITARTIKEL · RANGE
Helden der Aufklärung
Keiner war's. Oder genauer gesagt: am Ende will es keiner gewesen
sein. Zwei Blogger stehen im Zwielicht, der Generalbundesanwalt muss
seinen Hut nehmen. Ob die beiden Journalisten als Staatsverräter zu
gelten haben, wird sich zeigen, ob sie unerschrockene Whistleblower
sind, ist eine Frage des Blickwinkels. Mut bewiesen hat in der
Netzpolitik-Affäre zuletzt vor allem Generalbundesanwalt Harald
Range, der seinen Dienstherrn, Justizminister Heiko Maas, mit einem
Frontalangriff mindestens so hart vors Schienbein getreten hat, wie
Netzpolitik.org mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente des
Verfassungsschutzes dessen Präsidenten Hans-Georg Maaßen. Der
Unterhaltungswert dieser Justizposse ist so hoch wie der mutmaßliche
Schaden für das Ansehen einiger staatlicher Institutionen. Denn das,
was die Hauptfiguren Range, Maas und Maaßen mit ihren wechselseitigen
Anschuldigungen auf der politischen und juristischen Bühne aufgeführt
haben, rührt an Grundlagen des Rechtsstaates: Wie weit dürfen
Journalisten mit ihren Enthüllungen gehen? Wie stark darf das
Justizministerium der Bundesanwaltschaft den Weg weisen? Wieweit
misst sich Deutschland selbst an den hehren Maßstäben, die
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck so
gerne an missliebige auswärtige Regime anlegen? In ihrer jeweiligen
Selbstwahrnehmung dürften alle Akteure vor allem eines sein: Helden
der Aufklärung. Freche Blogger, deren Website erhebliche Verdienste
im publizistischen Kampf gegen den Marsch in den Ãœberwachungsstaat
vorzuweisen hat und zur Speerspitze der Gegner der
Vorratsdatenspeicherung gehört, machen auf Snowden und Assange. Ein
klein wenig jedenfalls. Große Aufklärer wollen auch alle anderen
sein: Maaßen, der das Leck in seiner Behörde sucht und Anzeige
erstattet sowie der glücklose Generalbundesanwalt, der schlicht
seinen Job gemacht hat. Vielleicht sind, von außen besehen, manche
der Beteiligten aber auch mehr oder minder böse Buben. Dass die
Blogger Strafnormen verletzt haben könnten, ist zumindest nicht
ausgeschlossen. Deshalb ist der Aufschrei, dass ihre Aktivitäten die
Aufmerksamkeit staatlicher Stellen erregen, Heuchelei - selbst, wenn
man den hohen Wert der Pressefreiheit in Rechnung stellt. Denn dieses
Grundrecht ist, anders als jenes der Kunstfreiheit, trotz aller
Privilegien nicht schrankenlos. Berechtigt ist dagegen die Kritik an
dem schweren Geschütz, das Range mit dem überzogenen Vorwurf des
Landesverrats aufgefahren hat - und für dessen Einsatz nun niemand
verantwortlich sein will. Range hat auf die Unabhängigkeit der Justiz
gepocht. Vergebens. Denn er ist kein Ermittler wie jeder andere. Er
ist ein politischer Beamter, der abberufen werden kann, sobald er
nicht mehr der Linie der Bundesregierung folgt. Auch in anderen
Fällen - das zeigen die halbherzigen Ermittlungen in der
NSA-Spähaffäre - spielen Fragen der politischen Opportunität eine
Rolle, die der Justiz ansonsten fremd sind und dies auch bleiben
müssen. Im Zweifel entscheiden nur die Machtverhältnisse. Maas musste
handeln, nachdem Range ihn bloßgestellt hat. Dieser wird gewusst
haben, dass er für seine Standhaftigkeit die Quittung kassieren wird,
doch Haltung war ihm wichtiger. Damit hat er die bessere Figur
abgegeben als sein Dienstherr und der Verfassungsschutzpräsident,
dessen Behörde nach den jüngsten Geheimdienstskandalen einmal mehr
ein bedenkliches Bild geliefert hat. Ein Abgang sind manchmal zwei
Rücktritte zu wenig.
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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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