(ots) - So rasch können in der "großen Politik"
scheinbar festgefügte Bastionen, zementierte Urteile und Vorurteile
über den Haufen geworfen werden. Alexis Tsipras war bis zu seinem
Wahlsieg mit der sehr linken und zugleich heterogenen Syriza-Bewegung
für den Rest der Europäischen Union ein Paria, ein Aussätziger, mit
dem man ganz bestimmt nicht über Milliardenkredite verhandeln werde.
Nach dem Sieg bei der griechischen Parlamentswahl Ende Januar mussten
sich Brüssel, Berlin, Paris, Rom und die anderen europäischen
Regierungen notgedrungen und mit geballter Faust in der Tasche mit
Tsipras, Varoufakis und Co. an einen Tisch setzen. Freilich dauerte
das gegenseitige Belauern, Nicht-Trauen und Beschimpfen quälende
sechs Monate. In dieser Zeit wurde Griechenland, das gerade dabei
war, sich aus der tiefen Krise herauszurobben, noch tiefer in den
Schlamassel geritten. Wegen der Sturheit der Tsipras-Regierung, aber
auch wegen der Borniertheit der EU-Partner. Hier hoffte mancher auf
ein rasches Ende des Tsipras-Spuks und auf baldige Neuwahlen, die
dann die alten Parteien wieder ans Ruder bringen mögen. Die
konservative Neo Demokratia und die sozialdemokratische Pasok etwa.
Dabei wurde nur übersehen, dass beide Altparteien in den Augen einer
Mehrheit der Griechen gnadenlos abgewirtschaftet haben. Sie stehen
für Korruption und Misswirtschaft, für Verkrustung und staatliche
Untätigkeit, worunter Griechenland seit Jahrzehnten zu leiden hat.
Unter dem konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras wurden im
vergangenen Jahr nach Vorgaben der "Rettungs-Troika" noch drastische
Einschnitte bei Rentnern und Arbeitenden vorgenommen. Griechische
Großkopferte, Reeder und sonstige Milliardäre jedoch kamen
ungeschoren davon. Sie konnten, vom Fiskus unbehelligt, Vermögen ins
Ausland transferieren. Dies erzeugte böses Blut und sorgte für den
Rückenwind, der Alexis Tsipras schließlich ins Athener Regierungsamt
trug. Der Linke trat mit dem verlockendem Versprechen an, er werde
sich dem Diktat der Troika nicht beugen und stattdessen die Würde des
Landes bewahren. Und der unsägliche Wirtschaftsprofessor Gianis
Varoufakis, der über Nacht auf den Posten des Finanzministers gespült
wurde, tat alles, um seine EU-Amtskollegen zur Weißglut zu bringen.
Das für einen solchen Rettungsakt notwendige Vertrauen in Athen
konnte so keinesfalls entstehen. Mit Brüssel pokerten Tsipras und
Varoufakis solange, bis es wirklich nicht mehr ging. Noch durch das
Referendum vom 5. Juli ließen sie ihren einsamen Kurs ohne
einschneidende Reformen von einer Mehrheit ihrer Landsleute absegnen.
Dann jedoch kam die Wende. Der Premier setzte den halsstarrigen
Varoufakis vor die Tür, überwarf sich zugleich mit den Ultralinken in
der Syriza-Bewegung - und willigte in das Gegenteil dessen ein, was
er im Wahlkampf versprochen und wenige Tage zuvor noch abgelehnt
hatte wie der Teufel das Weihwasser. Ob das unverhohlene Drohen mit
dem Grexit durch Wolfgang Schäuble den Umschwung brachte oder nicht,
sei dahin gestellt. Fakt ist: Tsipras hat so etwas wie
staatsmännische Verantwortung übernommen. Vertrauen ist zwar immer
noch nicht sonderlich gewachsen, doch zumindest scheint es so, als
werde Griechenland nicht mehr von einem unberechenbaren Hasardeur
regiert. Nun hat Tsipras einen weiteren Joker ausgespielt. Nachdem
das dritte Hilfspaket pefekt ist, trat er zurück, um den Weg für
Neuwahlen im September frei zu machen. Es ist gar nicht einmal
aussichtslos, dass der gewandelte Ultralinke daraus wiederum als
Sieger hervor gehen könnte. Offenbar hat Tsipras Gefallen an der
Macht gefunden, egal, mit wem er regiert. Das ist für den Fortgang
der weiter äußerst schwierigen Griechenland-Rettung vielleicht nicht
mal das Schlechteste.
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