(ots) - Man kann Sigmar Gabriels Appell, Europa sei doch
nicht bloß eine Zugewinngemeinschaft und müsse sich in der
Flüchtlingskrise auf seine Werte besinnen, ja verstehen. Bloß: Europa
ist eine Zugewinngemeinschaft, war es seit dem ersten Tag der
Montanunion. In Brüssel geht es immer nur um Geld, Geld, Geld. Fast
bei jeder Verhandlungsrunde. Die EU ist eine Gemeinschaft zum
gegenseitigen Vorteil. Werte gibt es, doch sind sie für die
Sonntagsreden und Jubiläumsveranstaltungen gedacht - dann sind wir
"zu unserem Glück vereint", wie Angela Merkel zu formulieren pflegt.
Europa funktioniert leidlich, solange der Kuchen wächst und niemand
etwas abgeben, also teilen muss. So lange kann man sich leicht
pro-europäisch verhalten. Kostet nichts, bringt aber was. Wehe aber,
es sind Opfer gefragt. Dann wird es schwerer. Das war schon in der
Euro-Krise so und auch bei den Sanktionen gegen Russland. Das ist
erst recht so in der aktuellen Flüchtlingskrise. Wenn ein, zwei oder
drei Millionen Menschen kommen und versorgt werden müssen, wird der
Kuchen - kleiner. Dann war es das mit der Solidarität. Die
Versuchung, überall wieder Grenzkontrollen einzuführen, sogar am
Brenner, ist ein alarmierendes Zeichen. Und hört wer die Signale,
wenn schon wieder nach Visumpflicht für den Balkan gerufen wird, wie
im Kalten Krieg? Und wie muss man die einseitige Aufkündigung des
Dublin-Abkommens durch Italien, Griechenland und Ungarn bewerten, die
die Flüchtlinge einfach weiterschicken nach Norden? Als
unfreundlichen, ja aggressiven Akt? Dazu die Weigerung der
Osteuropäer, überhaupt nennenswert Verfolgte aufzunehmen. Oder die
einzigartige und überaus schändliche Haltung des reichen
Großbritannien, das seinem nationalen Egoismus huldigt, nicht nur in
dieser Frage. Was ist eigentlich, Briten, wenn der Tunnel einmal in
die andere Richtung geschlossen wird, auch für eure Waren? Der Ruf
nach einem europäischen Flüchtlingsgipfel wird lauter, und sicher
muss er bald kommen. Nur: Was kann er lösen, wenn niemand sich
bewegt? Wenn es an historischem Verantwortungsgefühl fehlt, fast in
jeder Hauptstadt? Wenn niemand in Wirklichkeit ein "faires" Aufnahme-
und Verteilungsverfahren will, sondern nur, dass die anderen die Last
tragen? Vielleicht muss man doch an die Zugewinngemeinschaft Europa
appellieren, ans Portemonnaie und nicht ans Herz: Wenn ihr alle
miteinander so weitermacht wie jetzt, fliegt Europa auseinander, und
es wird so schnell nicht wieder zusammen kommen. Und das kostet dann
Geld und Wohlstand. Jedes Europäers Wohlstand.
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