(ots) - So geht es nicht mehr weiter. Das dürfte die
klare Erkenntnis zum Status quo im Bürgerkriegsland Syrien sein, die
hinter der Entscheidung Präsident Barack Obamas steht, mit Wladimir
Putin zu sprechen. Zwölf Millionen Menschen haben das syrische
Schlachthaus verlassen. Auf der Flucht vor den Fassbomben Baschar
al-Assads und dem Terror des Islamischen Staats gleichermaßen. Seit
sich Hunderttausende auf Booten und zu Fuß auf den Weg nach Europa
gemacht haben, lässt sich die Krise nicht weiter ignorieren. Sie
steht sprichwörtlich vor der Haustür. Weil George W. Bush mit seiner
kopflosen Invasion in Irak die Büchse der Pandora in der Region
geöffnet hatte, stehen die USA zu Recht unter Druck, mehr zu tun. Am
Freitag nun gab sich Obama nach langem Zögern einen Ruck und stimmte
einem Treffen mit Putin zu, der erstmals seit zehn Jahren wieder zur
UN-Vollversammlung nach New York kommen wird. Realpolitisch ergibt es
nur Sinn, nach 15 Monaten Funkstille mit dem russischen Präsidenten
direkt zu sprechen. Russland spielt eine Schlüsselrolle in der
syrischen Tragödie, weil es das Assad-Regime militärisch stützt.
Dahinter stecken geostrategische Interessen Moskaus, das seinen Hafen
am Mittelmeer in Latakia nicht verlieren will. Darüber hinaus sehen
die Russen Syrien als Pufferzone, die ihnen islamistischen Terror vom
Hals hält. Damaskus hat in der Vergangenheit beides garantiert. Was
erklärt, warum Putin an dem skrupellosen Diktator festhält und nun
seine militärische Präsenz verstärkt. Diese nüchterne Analyse legt
fast zwingend nahe, dass es ohne Russland keine Lösung in dem
Bürgerkrieg geben wird. Folglich ist es nur sinnvoll, das
Gesprächsgesuch Putins anzunehmen. Wer darin Schwäche erkennt,
übersieht, auf wie vielen Grabsteinen in der Geschichte das Wort
"Prinzipientreue" eingemeißelt sein könnte. Angesichts des
himmelschreienden Elends in Syrien darf nichts unversucht bleiben,
das Schlachten zu beenden. Der erste Schritt auf dem Weg dahin ist
der direkte Dialog zwischen Obama und Putin. So lässt sich am besten
herausfinden, was der Machtpolitiker aus Moskau im Schilde führt. Das
scheint umso mehr geboten, seit die Amerikaner mit ihrem eigenen
Latein am Ende sind. Obamas Anti-IS- Koordinator, Ex-General John
Allen, erklärte zum November seinen Rücktritt, nachdem er im Kongress
einräumen musste, dass ganze "vier bis fünf" von den USA ausgebildete
Rebellen in Syrien kämpften. Kritiker hatten die Idee, auf "moderate
Rebellen" zu setzen, die gegen Assad und den IS kämpfen, von Anfang
an für einen Wolkenkuckuckstraum gehalten. Dass der ehemalige General
Petraeus zuletzt vorschlug, mit den Al-Kaida-nahen Kämpfern der
Al-Nusra-Front gemeinsame Sache zu machen, zeigt, wie perspektivlos
die Situation geworden ist. Gemessen daran klingt die Entscheidung
Obamas vernünftig, mit jemandem Spielräume auszuloten, den er für
einen politischen Straßenschläger hält. Der Kampf gegen den
Islamischen Staat bietet sich als gemeinsame Schnittmenge an. Und
scheint umso dringlicher, als der IS im Unterschied zu dem bloß an
seinem Überleben interessierten Assad-Regime eine revolutionäre Kraft
ist, die eine ganze Region destabilisiert. Es gibt viele gute Gründe,
die Erwartungen an das Treffen Obamas mit Putin nicht zu hoch zu
schrauben. Aber es könnte dazu beitragen, die Sponsoren der diversen
Bürgerkriegsparteien an einen Tisch zu bekommen. Die Türkei,
Saudi-Arabien und Iran werden für eine nachhaltige Lösung gebraucht.
Deshalb ist das Treffen am Rande der Vollversammlung der Vereinten
Nationen so wichtig. Die beiden Präsidenten stehen vor der Wahl, die
Gräben zu vertiefen oder ihre Differenzen beiseite zu stellen, um für
Syrien das Richtige zu tun.
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