(ots) - In den Krisen der Welt gibt es den Ruf nach
Russland. Stimmen, die fordern, dass das Riesenreich mit an
Verhandlungstischen sitzt. Oder Stimmen, die sagen, dass Russland der
eigentliche Verbündete der Europäer ist. In der Ukraine-Krise war der
Vorwurf, "der Westen" - gemeint waren die Vereinigten Staaten -
schüre den Konflikt, um einen neuen Krieg gegen Russland
vorzubereiten, salonfähig. Wenn Washington und Moskau nun miteinander
sprechen, um Lösungen für den brutalen Syrien-Krieg zu suchen, dann
sehen sich die Putin-Versteher bestätigt in ihrer These, dass
Russland wichtig ist. Was daran stimmt: Es kann für viele Krise keine
Lösung ohne Moskau geben. Aber dauerhafte Lösungen wird es mit
Russland auch nicht geben. Zumindest nicht mit dem Russland nach
Prägung Wladimir Putins. Das Problem dabei: Ein anderes gibt es auf
absehbare Zeit nicht. Reden mit Putin bedeutet: Reden mit einem, der
eine Machtpolitik betreibt, die die Welt eigentlich nur noch von den
Vereinigten Staaten gewohnt war. Mit dem Unterschied, dass der
Kremlchef bereit ist, für das Erreichen seiner Ziele im Innern brutal
gegen die Opposition vorzugehen und nach außen gegen das Völkerrecht
zu verstoßen. Siehe Annektion der Krim. Siehe die Destabilisierung
der Ukraine mit russischer Unterstützung. Putin hat sein Riesenreich
nach der gefühlten Demütigung der 1990er Jahre wieder zu einer Macht
heranwachsen lassen, die sich nichts mehr gefallen lässt. Die an den
Gashähnen der Welt drehen kann und Nationen damit erpresst. Die
Waffen an alle liefert, die zahlen. Die Regimes stützt, die ihr
nützlich scheinen, koste es, was es wolle. Wen das alles an
US-amerikanische Interventionspolitik erinnert, der hat Recht. Es ist
genau das, was Putin über all die Jahre bei seinem Volk so beliebt
macht. Es war richtig, Russland infolge der Krim-Intervention zu
isolieren und aus der Gruppe der G8 auszuschließen. US-Präsident
Barack Obama hat es gestern vor der Generalversammlung der Vereinten
Nationen gesagt: Heute ist nicht mehr die Zeit für Machtpolitik von
früher. Wer die Isolation Moskaus kritisiert, denkt in den
Machtverhältnissen von früher. Es gibt keine Blöcke mehr, kein Ost
und West. Die Welt ist multipolar geworden. Die USA tun sich noch
schwer, das zu akzeptieren. Russland versucht es nicht einmal.
Dennoch ist Reden mit Russland immer noch die einzige Hoffnung, wenn
Kriege wie der in Syrien nicht ins Unendliche laufen sollen. Und das
dürfen sie nicht. Eine gesamte Region ist destabilisiert, eine ganze
Generation droht verloren zu gehen, weil Hunderttausende auf der
Flucht sind. Die schützende Hand des Kreml wacht über Syriens
Diktator Assad. Doch ein Mann, der bereit ist, seine Macht mit
Fassbomben auf Frauen und Kinder zu verteidigen, hat jegliches Recht
zu regieren verwirkt. Syrien kann keine Zukunft mit Assad haben. Nur
sieht der Kreml das anders. Genau das aber ist das Problem: Putin und
Obama werden keine gemeinsame Linie finden. Weil beide andere Ziele
verfolgen. Das heißt nicht, dass es falsch wäre, wenn beide
miteinander sprächen. Wozu der Kremlchef imstande ist, wenn er seine
Interessen und die seines Landes bedroht sieht, haben die Panzer und
Soldaten auf der Krim gezeigt. Wie wenig er die Isolation fürchtet,
trotz aller verheerenden wirtschaftlichen Folgen, zeigt er durch die
anhaltende Unterstützung der ostukrainischen Separatisten. Keiner
darf sich der Illusion hingeben, dass der Syrien-Krieg bald enden
wird, weil Obama und Putin über den Konflikt gesprochen haben. Aber
ohne dieses Gespräch wäre die Lösung in noch weitere Ferne gerückt.
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