(ots) - Wenn es so weiter geht, wird Angela Merkel im
Bundestag bald die Vertrauensfrage stellen müssen, um die eigenen
Reihen zu disziplinieren. Oder um neu wählen zu lassen. CSU-Chef
Horst Seehofer, aber auch viele CDU-Politiker treiben es systematisch
dahin. Im Grunde fehlt nur noch ein symbolischer Punkt für eine
solche Abstimmung. Das am Donnerstag verabschiedete Gesetzespaket war
es nicht, da herrscht großer Konsens. Vielleicht werden es
Streitereien um Transitzonen oder den Familiennachzug werden. Angela
Merkel hat im Bundestag auch gestern Kurs gehalten. Horst Seehofer in
München ebenfalls. Und zwar dagegen. Erstens geht es um den lauter
werdenden Ruf nach Abschottung. Angela Merkel sagt voller
Überzeugung, dass ein Zaun keine zeitgemäße Antwort ist. Verzweifelte
finden immer einen Weg - oder einen Schlepper. Und Europa wäre nicht
mehr so wie vorher, wenn die Schlagbäume wieder heruntergehen.
Zweitens weigert sich die Kanzlerin, die Flüchtlinge, die es bis nach
Deutschland geschafft und Schlimmstes erlebt haben, auch noch
schlecht zu behandeln, wie ebenfalls zunehmend gefordert wird. Angela
Merkel will, so wie die Mehrheit der Deutschen, morgens in den
Spiegel schauen können. Hätte Deutschland es ausgehalten, die
Unglücklichen zurückzuschicken, wenn es nur 100 000 gewesen wären?
Hätte man die Menschen mit kaltem Blick irgendwo auf dem Balkan oder
gar in der Ägäis stranden lassen, manche auch verrecken? Oder in
Lager gesteckt? Nein, jeder hätte gesagt: 100 000 das schaffen wir
locker. Jetzt, bei fast einer Million, werden die Skrupel geringer.
Aber die Grenze der Belastbarkeit ist damit nicht überschritten.
Überschritten ist nur die Grenze der Flexibilität der obersten
Bundes- und mancher Landesbehörden. Es hat sich im Nahen und Ferneren
Osten sowie in Afrika eine Masse von Menschen in Bewegung gesetzt,
die zumeist echte Asyl- und Schutzgründe und deshalb nichts zu
verlieren haben. Die Balkanflüchtlinge sind da nur ein Randproblem.
Diese Bewegung kann nicht mehr unterwegs gestoppt werden. Gestoppt
werden kann diese Fluchtbewegung nur an ihren Ursprungsorten. In
Syrien, in der Türkei, in Nordafrika. Mit Hilfen, vielleicht auch mit
besserem Grenzschutz. Da will Merkel ansetzen, da will auch die EU
ansetzen. Es ist offen, ob das wirken wird und vor allem wann.
Allerdings ist Merkels Ansatz diesmal nicht alternativlos. Eine
Alternative wäre es, das Asylrecht abzuschaffen. Eine solche
Verfassungsänderung würde bedeuten, den Spiegel umzudrehen und nicht
mehr hineinzuschauen. So weit sind wir Deutschen zum Glück noch
nicht.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik(at)lr-online.de