(ots) - Die IG Metall ist groß und mächtig. Die 2,27
Millionen Mitglieder starke Organisation ist dementsprechend träge,
wenn es darum geht, einen eingeschlagenen Weg zu verlassen. Alle vier
Jahre treffen sich die Delegierten, um eine neue Spitze zu wählen und
die Richtung für die kommenden Jahre vorzugeben. In diesem Jahr ist
viel von Erneuerung und Modernisierung die Rede. Denn die 125 Jahre
alte Gewerkschaft gilt vielen in ihren Strukturen und ihrem Auftreten
nach wie vor als altbacken. So war schon im Vorfeld des
Gewerkschaftstags in Frankfurt ein großes Thema, dass mit Christiane
Benner erstmals eine Frau in die oberste Führungsspitze der IG Metall
gewählt werden sollte. Dass dies auch im Jahr 2015 noch als Zeichen
für Modernisierung gilt, ist natürlich traurig genug. Trotzdem
entwickelt sich die IG Metall damit tatsächlich geradezu rasant in
Sachen Frauen in Führungspositionen, zieht man zum Vergleich etwa die
30 Dax-Unternehmen heran. Die sind wieder schneller beim Thema
Digitalisierung und Industrie 4.0 unterwegs, worin dann wohl auch der
eigentliche Grund für die Berufung Benners in die
Gewerkschafts-Beletage liegt. Die 47-Jährige hat sich bereits in den
vergangenen Jahren mit digitalisierten Arbeitsbeziehungen wie
Crowdworking auseinandergesetzt und soll dort, im
Internetproletariat, wie es Alfons Frese vom Tagesspiegel nennt, neue
Mitglieder anwerben. Für die IG Metall ist der Schritt zur Ausweitung
ihrer Mitgliederakquise natürlich eine Form der Selbsterhaltung.
Gleichzeitig zeigt es aber auch, dass das Prinzip der
Arbeitnehmervertretung, des kollektiven Tarifverhandelns, nicht
überholt ist. Auch in einem hoch entwickelten Wohlstandsland wie
Deutschland sind längst nicht alle Arbeitskämpfe gefochten.
Outsourcing, der Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit - zum
Teil wirkt das Verhältnis zwischen IG Metall und Wirtschaft -
insbesondere der Automobilindustrie - jenseits der regulären
Tarifverträge wie ein Katz-und-Maus-Spiel. Und ein Blick in den
Bayerischen Wald genügt, um zu sehen, dass es immer noch eine hohe
Anzahl von mittelständischen Unternehmen ohne Betriebsräte gibt.
Dabei zeigen die im fünften Jahr in Folge wachsenden Mitgliedszahlen
bei der IG Metall, dass es durchaus das Bedürfnis gibt, die
Arbeitsplatz-Belange in die Hände erfahrener Vertreter zu geben.
Dabei hilft der Gewerkschaft natürlich die gute konjunkturelle Lage.
Diese Zeit der Stärke muss die Gewerkschaft nun tatsächlich nutzen,
um sich zu erneuern und zu modernisieren. Dazu gehört nicht nur ein
ansprechendes Auftreten bei Warnstreiks und Demonstrationen, die
Umarmung der digitalen Medien und die Öffnung gegenüber den
Verwundbaren in der neuen Arbeitswelt. Auch die eigene Rolle in den
Unternehmen muss hinterfragt werden, wie der Abgasskandal Volkswagen
gerade zeigt. Mehr Mitbestimmung im Betrieb ist eine der Forderungen,
die die IG Metall jeher für sich beansprucht und auch für die
kommenden Jahre wieder formuliert hat. Damit geht natürlich auch
Verantwortung einher. Bis jetzt zeigt die Arbeitnehmervertretung in
der VW-Debatte aber vornehmlich mit dem Finger auf die anderen. Eine
Gewerkschaft, die so groß und einflussreich ist wie die IG Metall,
formt in ihrer Anpassung an neue Arbeitsmodelle die Entwicklung
unseres Wirtschaftssystems. Das kann nicht immer schnell gehen. Doch
ist es wichtig, dass die Organisation nicht nur reagiert, sondern
auch gestaltet. Den Willen hierfür hat sie auf dem Gewerkschaftstag
geäußert. Bei dieser Aufgabe muss sie die Verantwortung übernehmen.
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