PresseKat - Aidshilfen: Kennzeichnung HIV-Positiver in Polizeidatenbanken beenden!

Aidshilfen: Kennzeichnung HIV-Positiver in Polizeidatenbanken beenden!

ID: 1280012

(ots) - Mitgliederversammlung der Deutschen AIDS-Hilfe
verabschiedet "Münchner Erklärung" gegen kontraproduktive und
stigmatisierende Praxis

Die bayerische Polizei hat im Datenbanksystem INPOL 14.000
Menschen mit dem Warnhinweis ANST für "ansteckend" gekennzeichnet -
sehr viel mehr als erwartet. Dies wurde kürzlich durch eine Anfrage
von zwei Landtagssbgeordneten bekannt. Die Innenministerkonferenz
hatte im Juni beschlossen, dass dies bundesweit weiter zulässig ist.

Auf ihrer Mitgliederversammlung in München haben die
Mitgliedsorganisationen der Deutschen AIDS-Hilfe darum eine
Resolution gegen diese kontraproduktive und stigmatisierende Praxis
beschlossen:

Münchner Erklärung der Mitgliedsorganisationen der Deutschen
AIDS-Hilfe:

Stigmatisierung ist ansteckend - ANST abschaffen!

Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Juni 2015
darf die Polizei in ihrem bundesweiten Informationssystem INPOL
weiterhin Menschen mit dem "personengebundenen Hinweis" (PHW) ANST
für "ansteckend" kennzeichnen. Der Warnhinweis kann bei Menschen mit
HIV sowie Hepatitis B und C angewendet werden. Es soll dazu dienen,
Polizeibeamte im Dienst vor einer Ansteckung zu schützen.

Wie viele Menschen von dieser Kennzeichnung betroffen sind, ist
nur teilweise nachvollziehbar. Wie kürzlich bekannt wurde, dürfte das
Land Bayern dabei mit rund 14.000 INPOL-Eintragungen (Stand: August
2015) einsame Spitze sein.

Die Mitgliedsorganisationen der Deutschen AIDS-Hilfe haben sich
darum bei ihrer Mitgliederversammlung am 24./25. Oktober 2015 in der
bayerischen Landeshauptstadt München entschieden, gerade hier gegen
die Verwendung des personengebundenen Hinweises entschieden Stellung
zu beziehen. Denn ANST widerspricht Grundrechten und schadet, statt
zu nützen. Die Innenministerien der Länder halten jedoch gegen alle




Vernunft und fachliche Expertise an der Kennzeichnung fest.

ANST ist stigmatisierend und kontraproduktiv

Die Kennzeichnung mit ANST verletzt das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung. Das Kürzel stigmatisiert Menschen
mit den genannten Krankheiten und trägt damit auch zur Ausgrenzung
von Menschen mit HIV oder Hepatitis allgemein bei. Da Diskriminierung
Menschen von HIV-Test und damit auch von einer Therapie abhalten
kann, schadet es deren Gesundheit und auch der HIV-Prävention.

Für die Speicherung des Kürzels ANST genügt dabei der Verdacht,
eine Straftat begangen zu haben. Der kann auch dann fortbestehen,
wenn ein Verfahren eingestellt wurde oder wenn ein Freispruch
erfolgt ist.

Den Zweck, Polizeibeamte vor einer Ansteckung zu schützen, erfüllt
ANST zugleich aus vielfältigen Gründen nicht. Der Verwendung des
Warnhinweises liegt der grundlegende Irrtum zugrunde, dass Menschen
mit den genannten Diagnosen die Erkrankungen prinzipiell übertragen
können und dass eine Kennzeichnung dazu beitragen kann, Infektionen
zu verhindern.

Richtig ist hingegen:

1. Die meisten Menschen mit HIV können das Virus nicht
weitergeben, da sie mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden.

2. Hepatitis B und C werden häufig vollständig geheilt.

3. Die Ãœbertragung von HIV oder Hepatitis im Rahmen polizeilicher
Tätigkeit ist generell sehr unwahrscheinlich. Der Deutschen
AIDS-Hilfe sind keine Fälle bekannt, auch das Bayerische
Innenministerium konnte im August auf Anfrage von zwei Abgeordneten
keine Fälle benennen.

4. Steht kein Hinweis in der Datenbank, kann man nicht davon
ausgehen, dass kein Ãœbertragungsrisiko besteht.

5. Da ANST nicht beinhaltet, welche Krankheit vorliegt, ist die
Aussagekraft zusätzlich verringert - sie ist fast gleich Null.

Scheinsicherheit statt Risikoprüfung

Die Kennzeichnung von Menschen mit HIV und Hepatitis in
Polizeidatenbanken unterstellt also ein hohes Risiko, wo eine
Übertragung sehr unwahrscheinlich ist, und schürt damit unnötige
Ängste. Zugleich erzeugt sie eine Scheinsicherheit, wenn der Hinweis
nicht im Computer steht.

Nötige Schutzmaßnahmen sollten nicht davon abhängig gemacht
werden, ob eine Infektion bereits bekannt ist, sondern immer
ergriffen werden. Bei Verletzungen von Polizeibeamten beziehungsweise
Kontakt mit Blut muss im Einzelfall geprüft werden, ob ein Risiko
bestanden haben könnte, um gegebenenfalls zum Beispiel eine so
genannte Post-Expositionsprophylaxe gegen HIV (PEP,
"Nach-Risiko-Vorsorge") durchzuführen.

Unterm Strich erhöht der Warnhinweis ANST also die Gefahr für
Polizeibeamte, statt sie zu verringern.

ANST abschaffen!

Die Mitgliederversammlung der Deutschen AIDS-Hilfe fordert die
Innenministerien der Länder auf, die kontraproduktive und
stigmatisierende Praxis der Kennzeichnung von Menschen mit dem Kürzel
ANST unverzüglich zu beenden und alle entsprechenden Daten sofort zu
löschen.

Um Polizeibeamte zu schützen bedarf es stattdessen einer
wissenschaftlich fundierten Aufklärung von Verantwortlichen und
Beamten zu realen Ãœbertragungsrisiken von HIV und Hepatitis sowie
Schutzmöglichkeiten. Die Aidshilfen in Deutschland stehen den
Ministerien dabei gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Weitere Informationen:

Antwort des Bayerischen Innenministeriums auf die Anfrage der
bayerischen Landtagsabgeordneten Katharina Schulze und Verena Osgyan:
http://ots.de/tJxJW

Pressemitteilung vom 18.8.2015: http://ots.de/uzWJT

Bericht der Abendzeitung (Bayern): http://ots.de/Zyiw5



Pressekontakt:
Deutsche AIDS-Hilfe
Holger Wicht
Pressesprecher
holger.wicht(at)dah.aidshilfe.de
zurzeit nur mobil erreichbar: 0171 274 95 11

www.aidshilfe.de


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Datum: 25.10.2015 - 13:05 Uhr
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Kategorie:

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