(ots) - In Krisenzeiten sei es für den ehrenhaften
Menschen nicht am schwersten, seine Pflicht zu tun, sondern sie
überhaupt zu kennen, schrieb einst der heute weithin vergessene
französische Staatsphilosoph und Gegner der Revolution von 1789 Louis
Gabriel Ambroise Vicomte de Bonald. Nach den blutigen Anschlägen von
Paris erfasste eine Welle der Anteilnahme und der Solidarität auch
Deutschland. Doch darüber, was genau jetzt die Pflicht der
verantwortlichen Politiker ist, entbrannte unter der Hand ein übler
Streit. Bayerns Finanz-Staatsminister mit dem Drang zu noch Höherem,
Markus Söder, brachte nur wenige Stunden nach den Schüssen und
Explosionen in der französischen Hauptstadt Grenzschließungen ins
Gespräch. Gemeint war jedoch eine völlige Umkehr in der
Flüchtlingspolitik. Die Abkehr von Merkels leichtfertigen Sätzen,
wie: "Wir schaffen das!", "Unsere Grenzen sind offen" oder "Asyl
kennt keine Obergrenze". Söder hat mit seinem flotten Satz jedoch
nicht nur die bisherige liberale Flüchtlingspolitik von Merkels
Bundesregierung infrage gestellt - damit ist er innerhalb der Union
längst nicht der Einzige - sondern er bedient auch einen schlimmen
Kurzschluss: dass Flüchtlinge potenzielle Terroristen sein könnten.
Doch damit stellt er Menschen, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung
geflohen sind, etwa aus Syrien, unter Generalverdacht. Gewollt oder
unbeabsichtigt? Wie auch immer: Söder leitet Wasser auf die Mühlen
der Flüchtlings- und Fremdenhasser hierzulande. Dass er eine solche
Wirkung bewusst einkalkuliert hat, kann man Söder nicht unterstellen.
Nur muss sich ein solch kluger Seehofer-Nachfolgekandidat fragen
lassen, ob er mit Stimmungsmache seine Chancen auf den
Landesvatersessel aufbessern will. Der zuletzt viel gescholtene
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat in der jetzigen
Herausforderung dagegen gezeigt, wie notwendig Entschlossenheit, aber
auch ein kühler Kopf sind. Die deutschen Außengrenzen werden
wirkungsvoller und sichtbarer überwacht, ebenso Bahnhöfe und
Flughäfen. Flüchtlingsunterkünfte werden vorsorglich besser
geschützt, auch vor rechtsextremen Brandstiftern. Der deutsche Staat
reagiert mit seinen Institutionen, etwa Bundespolizei,
Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und - dem zuletzt heftig
kritisierten - Auslandsgeheimdienst BND auf die jetzige
terroristische Bedrohung angemessen. Ob islamistische Terroranschläge
in Deutschland weiterhin verhindert werden können, steht auf einem
anderen Blatt. Offene, freie, demokratische Gesellschaften können nie
zu 100 Prozent abgesichert werden. Diese bittere Wahrheit gilt nach
Paris weiterhin. Freilich wird sich auch in der deutschen Politik
nach Paris zumindest etwas ändern. Dass es nach dem freundlichen
Willkommens-Chaos, das sich allerdings bald als Ãœberforderungsfall
für Kommunen und Landkreise entpuppte, Änderungen geben wird, pfeifen
inzwischen die Spatzen von den Dächern - auch von denen des
Kanzleramtes. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel, als auch SPD-Chef
Sigmar Gabriel plädieren mittlerweile für feste Kontingente, nach
denen Deutschland künftig Kriegsflüchtlinge aufnehmen wird. Im
Leitantrag zum CSU-Parteitag am Wochenende heißt es ähnlich. Dies ist
in gewisser Weise eine Kurswende, obwohl sie keiner in der
Großkoalition so nennen mag. Nur hat sie nichts mit Söders
Mutmaßungen und Schwarzmalereien zu tun. Wirksame Kontrollen an den
deutschen sowie an den EU-Außengrenzen, eine durchgehende
Registrierung der Flüchtlinge, die bei uns aufgenommen werden, sind
keine Schwäche, sondern eine notwendige Voraussetzung für ein
friedliches, tolerantes Gemeinwesen.
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