(ots) - Vor acht Jahren zu dieser Zeit diskutierten
Kolumnisten die Frage, ob der charismatische Jung-Senator aus
Illinois etwas anderes könne als mitreißende Reden zu halten. Heute
fragen sie sich umgekehrt, warum Barack Obama seine Errungenschaften
so schlecht verkauft. Auf jeden Fall bleibt der Präsident ein
Paradox. Geliebt von seinen Anhängern, die in Obama das Versprechen
eines anderen, weniger testosterongesteuerten Politik-Stils an der
Spitze der Supermacht schätzen. Verachtet von seinen Kritikern, die
den Friedensnobelpreisträger für einen Waschlappen im Weißen Haus
halten. Richtig happy sind im siebten Jahr der Amtszeit des einstigen
Hoffnungs-Präsidenten nur wenige Amerikaner. Nach einer aktuellen
Umfrage des Fernsehsenders CNN erklären drei von vier Befragten, sie
seien unzufrieden, wie die Nation regiert werde. Donald Trump zapft
bei den Vorwahlen der Republikaner dieses Unbehagen an. Mehr als acht
von zehn US-Konservativen sind regelrecht verärgert. Über Obama, die
nicht eingelösten Versprechen der republikanischen Kongressführer und
überhaupt. Dabei gibt es von außen betrachtet objektiv gesehen sehr
wenige Gründe für diese Emotionen gegen einen Präsidenten, der die
USA 2009 vor dem Absturz in eine Depression bewahrte. Wenig bis keine
Anerkennung bekommt Obama auch für die Tatsache, dass er die
Arbeitslosenquote auf fünf Prozent halbiert hat. Was die Republikaner
auf die Barrikaden bringt, sind die tatsächlichen Veränderungen, die
der Präsident gebracht hat. Angefangen bei der Jahrhundert-Reform des
Gesundheitswesens über den Abzug der Kampftruppen aus dem Irak und
Afghanistan bis hin zu dem Klima-Deal in Paris. Die Demokraten
bemängeln eher, was der Reformer im Weißen Haus bisher nicht
geschafft hat: den Schandfleck Guantanamo zu schließen, strengere
Waffengesetze durchzusetzen und härter gegen die Wall Street
vorzugehen. Dabei war das zurückliegende Jahr eines der produktivsten
der Präsidentschaft. Obama machte ernst mit dem Tauwetter in den
Beziehungen zu Kuba, setzte das Atomabkommen mit Iran gegen massiven
Widerstand durch und schaffte es kurz vor Ende des Jahres, im
Weltsicherheitsrat eine Syrien-Resolution einstimmig beschließen zu
lassen. Dass Obama es nicht schafft, diese Errungenschaften zu
vermitteln, ist das Überraschende seiner Präsidentschaft. Dabei hat
er mehr als einmal ein Rückgrat aus Stahl bewiesen. Das wird er in
den verbleibenden elf Monaten seiner Präsidentschaft weiter gut
gebrauchen können. Sei es, um Guantanamo notfalls gegen den Kongress
per Exekutiv-Befehl zu schließen. Oder bei den avisierten
Einzelgängen im Waffenrecht. Vordringlich wird der Präsident nach dem
Terror von Paris und San Bernardino mehr tun müssen, um seinen
Landsleuten das Gefühl der Unsicherheit zu nehmen. Berechtigt oder
nicht macht seiner Präsidentschaft dies am meisten zu schaffen. In
einer Gesellschaft, die unter einem kollektiven
Aufmerksamkeitsdefizit leidet, erweist sich Obamas
Kommunikationsstrategie als unzureichend. Seine Kritiker wird er im
Amt nicht mehr überzeugen können. Aber der Präsident hat jede Chance,
die Zauderer für seinen Kurs zu gewinnen. Je länger Trump das Feld
der republikanischen Bewerber um seine Nachfolge dominiert, desto
besser könnte Obama dies im kommenden Jahr gelingen. Die
"State-of-the-Union"-Rede am 11. Januar gibt dem Präsidenten eine
Chance dazu. Er sollte die vielleicht letzte Gelegenheit nutzen, vor
vielen Millionen Zuschauern eine positive Vision für ein modernes
Amerika zu entfalten und sein Erbe zu sichern.
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