(ots) - Muss Meinungsfreiheit vor der Religion Halt
machen? Nein, sagen die Zeichner der Satirezeitung "Charlie Hebdo".
Für ihre derben Mohammed-Karikaturen haben sie einen hohen Preis
bezahlt: Vor einem Jahr überfielen islamistische Terroristen die
Redaktion und erschossen fast alle bekannten Zeichner. Die wenigen
Ãœberlebenden des Angriffs sind zu Symbolfiguren geworden, die schwer
bewacht an einem geheimen Ort weiter jede Woche eine neue Ausgabe
produzieren. "Jetzt erst recht" lautet ihre Devise. Das galt für die
"Ausgabe der Ãœberlebenden", die eine Woche nach dem Anschlag einen
weinenden Mohammed zeigte. Und das gilt auch für das Heft zum
Jahrestag, das Gott mit weißem Rauschebart und Kalaschnikow auf dem
Rücken die Verantwortung für die Gewalttat gibt. Es soll eine
Botschaft gegen religiösen Fanatismus sein, die Chefredakteur Riss
damit an die Leser richten will. Eine lange Nase für alle, die der
Meinung sind, dass über Religion nicht gelacht werden darf. Sicher,
sein Bild ist schief. Denn es war ja nicht Gott, der am 7. Januar
2015 zwölf Menschen getötet hat. Es waren Terroristen, die eine
Religion für ihre Zwecke missbrauchten. Aber "Charlie Hebdo"
provoziert seit mehr als 40 Jahren. Dass es der Zeitung ein Jahr nach
den Anschlägen immer noch gelingt, ist eine gute Nachricht. "Charlie"
ist immer noch da, und "Charlie" erregt weiter die Gemüter. Mehrere
Millionen Menschen sind vor einem Jahr auf die Straße gegangen, um
das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen. Das Recht, auf
eine freie und offene Gesellschaft. Das Recht über Mohammed genauso
zu lachen wie über den Papst. Über die Rechtspopulistin Marine Le Pen
genauso wie über den sozialistischen Präsidenten François Hollande.
"Charlie Hebdo" betreibt keine Volksverhetzung. Die Zeitung ruft
nicht zur Anwendung von Gewalt auf. Die vom Terrorismus so schwer
getroffene Redaktion hat nur eine einzige Waffe: ihren spitzen
Bleistift. Und den kann sie hoffentlich noch viele Jahre lang
einsetzen.
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