(ots) - Schaffen wir das? Die Skepsis in der
Flüchtlingsfrage nimmt zu, die Zustimmung zur Politik Angela Merkels
sinkt. Überinterpretieren darf man die jüngsten Umfragewerte nicht.
Sie entstanden unter dem Eindruck der Kölner Silvesternacht. Aber:
Politik funktioniert langsam und unerbittlich, und deshalb kommt
Merkel unweigerlich auf die Verliererstraße. Alle Kritiker ihres
Kurses - unsere sogenannten europäischen Freunde und die
innenpolitischen Scharfmacher - müssen einfach nur abwarten.
Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab, und da auch Deutschlands
Kapazitäten endlich sind, wird Merkel irgendwann in die Knie gehen.
Sie muss es auch, die Anzeichen gesellschaftlicher Erosion werden
bedenklich: Ein Landrat nimmt für eine äußerst fragwürdige PR-Aktion
Flüchtlinge als mediale Geiseln, sogenannte Bürgerwehren stellen das
Gewaltmonopol des Staates in Frage, ehemalige Verfassungsschützer
faseln von Umsturz.
Auch innerparteilich wird es für die Kanzlerin zunehmend
ungemütlich. Zwar ging die Rebellion ihrer Kritiker so aus wie noch
jede Revolte in der jüngeren CDU-Geschichte, nämlich sang- und
klanglos. Ein Alarmsignal ist es dennoch. Mit Fakten dringt die
angeblich mächtigste Frau der Welt kaum noch durch: Dieses Land hat
einen Haushaltsüberschuss von zwölf Milliarden Euro erwirtschaftet.
Im weltweiten Maßstab betrachtet ist nur eine einstellige Prozentzahl
aller Flüchtlinge nach Europa gekommen. Andere Länder, die nicht
annähernd so leistungsfähig sind wie Deutschland, schultern
wesentlich mehr. Damit soll ausdrücklich nicht gesagt sein, dass für
die Lösung der Flüchtlingsfrage nicht schon immens viel, zum Teil
Bewundernswertes geleistet worden ist. Aber das reicht nicht.
Gesellschaftliche Akzeptanz lässt sich nicht erzwingen und nur mühsam
erarbeiten. Sie kann nur langsam wachsen. Und das war und ist Angela
Merkels kapitaler Fehler: Sie hat die gedankliche
Aufnahmebereitschaft der Bürger massiv über- und das politische
Kapital, das sich aus Angst und Desinformation schlagen lässt, massiv
unterschätzt. Köln war nur noch der berühmte Tropfen, der das Fass
zum Ãœberlaufen brachte.
Vielleicht hat Merkel ihr eigenes politisches Kapital noch nicht
endgültig aufgebraucht, aber eine Pause, um wieder Neues ansammeln zu
können, braucht sie in jedem Fall. Dass ihr die CDU vor den Wahlen in
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg pflichtschuldig die Treue
geheuchelt hat, wird sie dabei einzuordnen wissen. Die Pause sollte
vor allem eine Denkpause sein, denn mit einem schlichten "Wir
schaffen das doch nicht und deshalb machen wir jetzt alles wieder
anders" wird es weiß Gott nicht getan sein. Die Ursachen für die
Flüchtlingslage sind nach wie vor da. Und wir leben schon lange nicht
mehr in einer Welt, in der es langt, die Zugbrücke hochzuziehen, und
schon ist man in Sicherheit. Auch wenn manch ein Zündler im In- und
Ausland uns das einreden will. Ihre Bühne darf nicht noch größer
werden. Sonst sind wir irgendwann auch auf der Flucht. Auf der Flucht
vor unserer Verantwortung für die Welt.
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Werner Wenzel
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