(ots) - Die Schlagzeile "Gabriel setzt Merkel unter Druck"
wird dem SPD-Chef gefallen haben; der Zusatz: "Stoiber auch" sollte
ihm jedoch zu denken geben. Der Vizekanzler manövriert seine Partei
gerade in die Gesellschaft jener Kräfte, die die Grenzen schnell
dicht machen wollen. Oder am liebsten nie für die Kriegsflüchtlinge
geöffnet hätten. Die rechte Spur ist für Sozialdemokraten aber nicht
unbedingt die beste Wahl. Mindestens sollten sie von da nicht auch
noch überholen wollen. Zwar ist die Aussage Gabriels absolut
richtig, dass es im Frühjahr oder Frühsommer eine neue Entscheidung
geben muss, wenn der Flüchtlingsstrom so weitergeht und bis dahin
keine Einigung in der EU und mit der Türkei erreicht ist. Doch wozu
benutzt er als Vizekanzler solche "Wenn-Dann"-Formulierungen, außer
zum einzigen Zweck, sich an der Stimmungsmache gegen die Politik der
eigenen Kanzlerin zu beteiligen? Als Regierungsmitglied und
Koalitionspartner hätte er mitzuwirken am Gelingen der gemeinsamen
Linie, statt über das Nichtgelingen zu spekulieren. Und statt den
Erfolg nur von Merkel zu fordern. Falls man scheitert, muss man den
Kurs sowieso neu bestimmen. Aber eben erst dann. Gabriel versucht
gerade, zwei Lieder gleichzeitig zu singen, in der Koalition ein
harmonisches und ein disharmonisches, zur Migration eines der
Willkommens- und eines der Abschiebekultur. So was klingt schief und
selten überzeugend. Man ahnt den Grund: Es sind die nahenden
Landtagswahlen, es ist die Angst, zu spät zu kommen beim Kurswechsel.
Und es ist die AfD, die auch der SPD im Nacken sitzt, weil auch viele
SPD-Wähler Überfremdungsängste haben. Zu spüren war das schon bei der
Reaktion der Genossen auf die Ereignisse von Köln. So schnell, wie
Justizminister Heiko Maas zusammen mit der CDU nach
Gesetzesverschärfungen rief, konnte man gar nicht gucken. Und Gabriel
setzte wie gewohnt noch eins drauf, indem er die Bereitschaft zur
Rücknahme von Abgeschobenen in ihren Heimatländern sogar mit der
Entwicklungshilfe verband. Das hat bisher noch nicht einmal die CSU
vorgeschlagen. Zu Recht nicht, denn das bedeutet, die Bevölkerung der
armen Länder noch zu bestrafen für die Taten, die ihre missratenen
Söhne in Europa begangen haben. Dies ist nicht die Art von
Fortschritt, die die SPD bisher ausgezeichnet hat. Was von alledem
die Basis der Partei hält, ist unbekannt. Sie wird jetzt, wo es
wirklich wichtig wäre, nicht gefragt.
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