(ots) - Man stelle sich vor, der Bundespräsident reist zur
EU nach Brüssel, und am Tag darauf folgt die deutsche Kanzlerin mit
einem Auftritt vor dem Europaparlament in Straßburg. Die
Gesprächspartner der beiden aber wissen: In Wirklichkeit sitzt der
mächtigste Mann der Republik, ein zwielichtiger Parteivorsitzender
namens K., zu Hause in Berlin und bereitet den nächsten
antidemokratischen und/oder antieuropäischen Gesetzescoup vor.
Undenkbar? Ja, in Deutschland ist ein solches Szenario undenkbar, im
Nachbarland Polen dagegen ist es Realität. Die viel beachteten Reisen
des Staatschefs Andrzej Duda und der Premierministerin Beata Szydlo
nach Brüssel und Straßburg am Montag und Dienstag waren deshalb von
vornherein von zweifelhaftem Wert. Alle Beteiligten wussten, dass die
Richtlinien der polnischen Politik derzeit weder im Präsidentenpalast
noch im Kabinettssaal der Regierung und auch nicht im Parlament
bestimmt werden, sondern in einem Reihenhaus im Warschauer Stadtteil
Zoliborz, wo Jaroslaw Kaczynski residiert, der Vorsitzende der
rechtsnationalen Regierungspartei PiS. Kaczynski hat ein informelles
und nach außen hin abgeschottetes Herrschaftssystem geschaffen. Für
die internationalen Partner Polens ist es deshalb extrem schwer, ein
verlässliches Fundament für Gespräche zu finden. Was mag es schon
heißen, dass Duda mit seinem Landsmann Donald Tusk, dem
EU-Ratspräsidenten, im Geiste einer zur Schau gestellten Versöhnung
plauderte? Nichts, denn jeder weiß, dass Tusk Kaczynskis Feind Nummer
eins ist, den er seit der Flugzeugtragödie von Smolensk 2010 für den
Tod seines Bruders Lech verantwortlich macht. Auch der Auftritt von
Beata Szydlo im EU-Parlament war nichts anderes als ein Scheingefecht
mit den Abgeordneten und den Kommissionsvertretern, die ihrem Unmut
über die polnische Regierungspolitik folgenlos Luft machten. Die PiS
hat das Verfassungsgericht entmachtet und die staatlichen Medien auf
Regierungslinie gebracht. Viele EU-Parlamentarier sehen darin einen
Frontalangriff auf die Demokratie. Die EU-Kommission hat eine Prüfung
eingeleitet. Szydlo verteidigte sich und die PiS-Politik mit Verweis
auf den eigenen Sieg in einer freien Wahl. Am Ende ging man friedlich
auseinander. Das konnte man auch ohne Weiteres tun, nach diesem
Meinungsaustausch der Machtlosen.
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