(ots) - Die krude Behauptung aus AfD-Kreisen, Angela
Merkel werde ins chilenische Exil gehen, könnte man noch als drögen
Karnevalsscherz abtun. Bei der öffentlich geäußerten Idee, auf
Flüchtlinge an deutschen Grenzen im Extremfall auch zu schießen, hört
der Spaß allerdings endgültig auf. Soviel Geschichtsvergessenheit
macht fassungslos. Zumal, wenn ihre Urheberin Frauke Petry aus eben
jener untergegangenen DDR kommt, in der ein solcher Schießbefehl
tatsächlich zur Staatsräson gehörte. Damit nimmt die
Flüchtlingsdebatte immer radikalere Züge an. Mit womöglich
unabsehbaren Folgen. Die wachsende verbale Schärfe ist allerdings
nicht nur eine Spezialität der Rechtsaußenparteien. Wenn etwa die CSU
darauf besteht, auch ein afrikanisches Land wie Mali zum sicheren
Herkunftsstaat zu erklären, dann mag das zwar weniger zynisch
klingen. In der Konsequenz spricht daraus aber ebenfalls eine satte
Portion an Menschenverachtung. In großen Teilen Malis wüten seit
Jahren Terror und Gewalt. Mehr als 70 UN-Blauhelmsoldaten kamen
deshalb dort schon ums Leben. Gerade erst hat der Bundestag eine
Ausweitung der Bundeswehr-Mission in Mali beschlossen. Experten
sprechen von einem gefährlichen Einsatz, vergleichbar mit dem in
Afghanistan. Sicherer Herkunftsstaat? Sicher ist in Mali nur die
Unsicherheit. Man kann der Kanzlerin vorwerfen, dass sie die Dinge zu
lange laufen ließ. Als sich die italienische Mittelmeer-Insel
Lampedusa immer stärker mit Flüchtlingen füllte, galt in Berlin noch
hartnäckig die Devise: Was geht uns fremdes Elend an. Dabei war
Lampedusa durchaus ein Vorbote der aktuellen Flüchtlingskrise.
Spätestens, seit die nun auch das Schengen-Abkommen infrage stellt
und Deutschland um den freien Warenverkehr, mithin, um seine
wirtschaftliche Stärke fürchten muss, ist ein verstärktes Umdenken
offenkundig. Gerade bei Merkel. Allerdings ohne die rechtstaatlichen
Prinzipien dabei aus dem Auge zu verlieren. So erinnerte die
Kanzlerin am Wochenende daran, dass nach dem Ende des
Jugoslawien-Krieges immerhin 70 Prozent der hier lebenden Flüchtlinge
wieder in ihre alte Heimat zurückgegangen sind. Sie hatten auch nur
einen zeitweiligen Aufenthaltsstatus. Das Gleiche, so Merkel, erwarte
man auch von syrischen Flüchtlingen. Als die Regierungschefin im
Sommer des vergangenen Jahres einem palästinensischen Mädchen diese
Notwendigkeit erklärte, war sie von vielen noch als kaltherzig
gescholten worden. Heute ist davon kaum mehr zu hören. Die Erinnerung
an diese Episode zeigt freilich auch, dass Merkel keineswegs so naiv
und realitätsfremd ist, wie sie im Zusammenhang mit den
Flüchtlingsströmen oft dargestellt wird. Wer könnte das Problem auch
sonst lösen? Rechtsradikale Schreihälse jedenfalls nicht. Sie leben
nur von der Provokation.
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