(ots) - Was Beobachter des Ölmarktes schon seit Monaten
erwarteten, ist eingetreten: Die größten Exporteure, angeführt von
Saudi-Arabien und Russland, haben das Gespräch über ihre Fördermengen
und damit auch über das weltweite Angebot aufgenommen. Das bedeutet
in der Praxis auch, dass in den seit Juni 2014 sinkenden Ölpreis eine
Gegenbewegung kommen könnte.
Die Einschätzungen der Medien und Experten, ob es sich um einen
ernstzunehmenden und aussichtsreichenden Vorstoß oder vielleicht nur
um einen taktischen "Bluff" einiger Exportländer handelt, gehen in
diesem Anfangsstadium der Diskussion naturgemäß weit auseinander.
Halten wir uns zunächst an die Fakten: Die Öl- und Energieminister
von vier Staaten, die als Exporteure von Rohöl und Erdgas großes
Gewicht vereinigen, haben sich am Dienstag vor einer Woche darauf
verständigt, ihre Öl-Fördermengen bis auf weiteres auf dem Niveau vom
Januar einzufrieren. Das sei, so erläuterten sie, lediglich ein
"erster Schritt", dessen Auswirkungen auf den Ölpreis man zunächst
abwarten wolle. Auf Grundlage der Ergebnisse werde man später über
weitere Maßnahmen sprechen. Die vier Staaten machen die Umsetzung
ihres Vorschlag jedoch davon abhängig, dass sich die wichtigsten
anderen Exportländer anschließen.
Erstes Treffen OPEC-Russland seit 15 Jahren
Die vier Minister, die sich am 16. Februar in Doha, der Hauptstadt
des kleinen arabischen Fürstentums Katar am Persischen Golf trafen,
vertreten Saudi-Arabien, Venezuela, das Gastgeberland und Russland.
Das war an sich schon eine Sensation. Saudi-Arabien liegt unter den
Ölexporteuren an erster Stelle, Russland an zweiter. Saudi-Arabien,
Venezuela und Katar sind Mitglieder der einflussreichen Organisation
Erdölfördernder Länder (OPEC), Russland jedoch nicht. Der letzte
Versuch einer Verständigung zwischen der OPEC und Moskau über die
Förder- und Exportmengen liegt 15 Jahre zurück. Russland habe sich an
die damalige Eingung nicht gehalten, behauptet die OPEC. Dieser
Vorwurf lässt sich schwer beurteilen. Wichtig ist zunächst einmal,
dass das lange unterbrochene direkte Gespräch wieder aufgenommen
wurde.
Dass eine verbindliche, real praktizierte Einigung auf eine
Obergrenze des Ölexports schwierig werden würde, war von Anfang an zu
erwarten. Die Wirtschaft und die Etats der meisten Exportländer
hängen zu über 50 Prozent, in Einzelfällen sogar zu 75 oder 90
Prozent, von den Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport ab. Sie sind
Konkurrenten auf einem zur Zeit schwierigen und stark umkämpften
Markt. Andererseits bedroht das gegenwärtige niedrige Preisniveau sie
mehr oder weniger, kurz- oder längerfristig, alle. Venezuela als
vermutlich am schwersten betroffenes Förderland steht kurz vor dem
Staatsbankrott. Saudi-Arabien ruht vergleichsweise sicher auf
Finanzreserven von immer noch über 500 Milliarden Dollar. Aber
Experten haben errechnet, dass sogar die Saudis beim heutigen
Preisniveau in ungefähr fünf Jahren pleite wären. Das Königreich hat
im laufenden Jahr ein Haushaltsdefizit von über 100 Milliarden Dollar
und denkt über den Verkauf von Anteilen seiner staatlichen
Ölgesellschaft ARAMCO nach.
Vor diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass die Saudis
schon zwei Tage nach der Einigung von Doha einen öffentlichen
Teilrückzieher machten. Man wolle seinen Marktanteil verteidigen,
verkündete Außenminister Adel al-Dschubeir, der mit 54 Jahren ein
vergleichsweise junger und oft betont scharf formulierender Politiker
ist. Seine Äußerung ist in erster Linie mit Blick auf den Iran zu
sehen. Der Schiitenstaat einerseits und das streng sunnitische
Saudi-Arabien andererseits sind nicht nur Konkurrenten um die
Vormacht in der Region, sondern auch politische und ideologische
Gegner.
Iran fordert Sonderregelung
Unter den Erdöl fördernden und exportierenden Ländern nimmt Iran
dadurch eine einzigartige Sonderstellung ein, dass es bis Mitte
Januar durch eine Vielzahl internationaler Sanktionen beschränkt war.
Dadurch war Iran zwar nicht vollständig vom internationalen Ölmarkt
ausgesperrt, aber seine Exportmenge war auf rund 1 Million Barrel pro
Tag besgrenzt. Die Regierung in Teheran strebt als öffentlich
erklärtes Ziel an, den Export möglichst schon innerhalb eines Jahres
wieder auf den Umfang zu steigern, den er vor der Verhängung der auf
diesem Gebiet schwerwiegendsten Sanktionen im Jahre 2012 hatte. Als
Ziel wird 2,1 Millionen Barrel pro Tag genannt. Ob das grundsätzlich
realistisch ist, müsste sich erst noch zeigen. Von iranischer Seite
wird die seit Aufhebung der Sanktionen im Januar erreichte Steigerung
der Fördermenge mit etwa 300.000 Barrel pro Tag angegeben. Ob das
stimmt, wird man wohl erst in einigen Monaten wissen. Aktuell
vereinbarte Verkäufe nach Europa, vor allem nach Frankreich und
Italien, erledigt Iran hauptsächlich aus den Vorräten, die es während
der Sanktionen angelegt hat. Nach offiziellen Angaben handelt es sich
um 12 Millionen Barrel Rohöl und 24 Millionen Barrel Kondensate.
In ersten Stellungnahme haben das iranische Ölministerium und
andere Politiker die Einigung von Doha zwar ausdrücklich begrüßt,
aber eine Sonderregelung für ihr eigenes Land gefordert, die die
Auswirkungen der gerade erst beendeten jahrelangen Sanktionen
berücksichtigt. Ein Einfrieren der Fördermenge auf das Januar-Niveau,
wie in Doha vorgeschlagen, käme praktisch einer Wiedereinführung der
Sanktionen durch die Hintertür gleich. Auf dieser Basis wird Iran
wahrscheinlich nicht zustimmen.
Das muss aber auch den vier Staaten bewusst gewesen sein, die
diesen Vorschlag in die Welt setzten. Dass Stichwort heißt jetzt
"Flexibilität", Abstriche von den jeweils eigenen Ausgangspositionen
der Akteure. Offenbar sind viele ölexportierende Länder dazu bereit,
weil ihnen kaum eine andere Wahl bleibt als der Versuch, gemeinsam
"an einem Strang zu ziehen", um den Niedergang des Ölpreises
aufzuhalten und umzukehren.
Dass tatsächlich in diese Richtung gedacht und gehandelt wird, war
schon am Tag nach dem Treffen in Doha zu erkennen: In der iranischen
Hauptstadt Teheran hatte Ölminister Bijan Zanganeh am 17. Februar
seine Kollegen aus Venezuela, Katar und dem Irak zu Gast, um die
begonnene Diskussion fortzusetzen. Politiker sind selten in der Lage,
solche Begegnungen spontan zu improvisieren. Daher kann man davon
ausgehen, dass das Gespräch in Teheran schon im Vorfeld des Treffens
in Doha und im Zusammenhang mit dem dort verkündeten Vorschlag
vereinbart worden war.
OPEC-Konferenz schon im März?
Presseberichten zufolge wollten die Erdölminister von Venezuela
und Katar im Anschluß an das Gespräche in Teheran auch andere
Exportländer besuchen. Namentlich genannt wurden das im Osten der
arabischen Halbinsel gelegene Oman sowie die früheren
Sowjetrepubliken Kasachstan und Aserbaidschan. Die drei Staaten sind
nicht Mitglieder der OPEC. Angesprochen werden soll unter anderem
auch Mexiko, das gleichfalls nicht der OPEC angehört. Darüber hinaus
haben die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait Zustimmung zum
Vorschlag von Doha signalisiert.
In den kommenden Wochen ist mit intensiven Gesprächen zwischen den
ölexportierenden Ländern zu rechnen, die Mitglieder und
Nicht-Mitglieder der OPEC näher zusammenbringen werden. Die nächste
reguläre Konferenz der OPEC-Staaten ist im Juni fällig. Vor allem
Venezuela, das sich in einer ernsten wirtschaftlichen und politischen
Krise befindet, drängt aber auf eine Sondersitzung schon im März. Es
scheint nicht völlig ausgeschlossen, dass daran oder an der Konferenz
im Juni auch einige Nichtmitglieder teilnehmen könnten.
Die Auswirkungen des Treffens in Doha ließen den Ölpreis in den
ersten Tagen um mehr als 14 Prozent ansteigen, wie das "Handelsblatt"
am 18. Februar meldete. Ob sich die Trends der Diskussion unter den
Produzenten einerseits und des Ölpreises andererseits stabilisieren,
lässt sich zu diesem Zeitpunkt nicht voraussagen, sondern muss genau
beobachtet werden. Sicher scheint, dass es sich nicht nur um einen
"Bluff" handelt, mit dem einige Produzenten Kurzzeit-Wirkungen
erzielen wollen. Ein derartiger Versuch wäre von vornherein zum
Scheitern verurteilt. Man kann aber davon ausgehen, dass die
verantwortlichen Politiker für ein so plumpes Kalkül zu klug sind.
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